Sonntag, 4. Juni 2017

Haltet Maß, um Luthers und Gottes Willen!

Die Sache mit den Ablaßbriefen war im 16. Jahrhundert kein schlechtes Geschäft, immerhin konnte der wunderbare Petersdom in Rom gebaut werden.

Aber auch das Gegenteil davon, die von Martin Luther im Jahr 1517 wegen der Ablaßbriefe angezettelte Reformation und Kirchenspaltung, soll zumindest 500 Jahre später ordentliche Früchte tragen. So denken wenigstens die Geschäftsleute in der Lutherstadt Wittenberg.

Weil es in der Stadt für mich keine freie Herberge gab - sprich: weil wegen der zahlreichen Pilger kein naher Stellplatz für mein Wohnmobil zu bekommen war -, nahm ich im 17 Kilometer entfernten Coswig Quartier und machte mich mit dem Fahrrad auf den Pilgerweg.

Die Stadt hat zu dem Jubiläum ein festliches Gewand angelegt und präsentiert sich fein herausgeputzt. Und wer es nicht ohnehin gewußt hat, wird an jeder Ecke an den Reformator und sein Werk erinnert, das zweifellos weltbewegende Veränderungen in Gang gesetzt hat.

In Wittenberg, Verzeihung: in der Lutherstadt Wittenberg, luthert es überall. Es luthert dermaßen, daß einem davon schwummerig werden kann. Zumindest wer die Luther-Süßigkeiten, die Luther-Rose in Schokolade und Marzipan, danach den Luther-Likör und das Luther-Bier probiert, dem dürfte schon bald ganz teuflisch übel werden.

Ich habe mich auf einen Luther-Kaffee und eine Luther-Schnecke beschränkt. Überraschenderweise war das danach aufgesuchte Örtchen nicht mit Luthers Namen verziert, sondern hieß schlicht mittelalterlich Latrine, sah von außen auch so alt aus, als hätte es da schon so zu Martinus Zeiten gestanden (und er womöglich drin). Kassiert wurde allerdings in Euro-Cents.

Danach habe ich auf dem Marktplatz noch schnell ein Foto vor der spiegelnden Weltkugel geschossen, die dort als Symbol für die weltweite Verbreitung der lutherschen Idee steht. Danach fühlte ich mich so beluthert daß ich mich aufs Rad schwang und aus der Stadt lutherte, tschuldigung: ich radelte.
Vorspiegelung: Marktplatz in Wittenberg mit Rathaus und Stadtkirche (und mir).

Liebe Wittenberger und Lutheraner: übertreibt es nicht mit dem Heroen Eurer Stadt und Eures Glaubens. Zwar war Martin Luther ein geschäftstüchtiger Mann, wie man liest, oder zumindest sein Käthchen war es, aber ich bezweifle, daß er besonders stolz wäre, wenn er im Jahr 2017 solch ein verluthertes Wittenberg sähe.

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