Dienstag, 5. Dezember 2017

Jahrestage: Ich war auch dabei und hatte es fast schon vergessen.

Screenshots zum 23. November 2017 von
Süddeutscher Zeitung, sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitung und Handelsblatt


Vor rund zwei Wochen wurde ich durch eine Zeitungsmeldung an ein Ereignis vor 25 Jahren erinnert, das zumindest teilweise meinen Lebenslauf beeinflußt hat. Hier in meinem tropischen "Winterlager" habe ich die Zeit, meinen Weg zu diesem Erlebnis etwas ausführlicher zu schildern.

Im Herbst 1992 war ich im Zuge der Überführung eines Segelschiffes statt in der Karibik in einem Werfthafen in Frankfurt am Main gelandet. Eigentlich hatte ich die Reise gar nicht machen wollen, und mit dem schließlichen Reiseziel schon überhaupt nicht, aber ein Bekannter hatte mich bekniet, sein gerade in Italien gekauftes gebrauchtes Boot für ihn in die Karibik zu fahren, wo er es dann selbst übernehmen wollte. Die Reiseroute gefiel mir, und die Konditionen waren recht angenehm. Also hatte ich zugesagt, und das rund 20 Jahre alte Stahlschiff von 15 Meter Länge in Ancona von dem früheren Eigner übernommen. Auf dem ersten Teil der Reise bis Mallorca begleitete mich der neue Eigner.

Trotz eines teuren Werftaufenthalts auf Malta, wo das Getriebe repariert wurde, war die Liste der Mängel an der Ketsch bis Mallorca schon wieder so lang, daß in dem Zustand an eine Atlantiküberquerung nicht zu denken war. Der neue Eigner war natürlich kreuzunglücklich und schwankte zwischen versenken oder verkaufen.

Auf Mallorca wollte niemand das Schiff auch nur ansehen, und so brachte ich den Eigner auf die Idee, das Schiff nach Frankfurt zu fahren und es dort an einen der Bootsbastler zu verkaufen, die ihr halbes Leben von der großen Weltumsegelung träumen, dann aber niemals aus dem Hafen kommen. Für solche könnte das rotte Schiff eine Aufgabe für viele Jahre sein, denn eigentlich war es ein schöner Langkieler, der ehemals für Weltreisen gebaut und geeignet war.

Natürlich wollte ich den Seelenverkäufer nicht über den Atlantik und durch die herbstliche Biscaya nach Deutschland fahren. Ich hatte mich über die französischen und deutschen Binnengewässer erkundigt und herausgefunden, daß ich mit dem Tiefgang gerade noch zurecht käme, um vom französischen Mittelmeerhafen Sète durch die Camargue, dann auf der Rhone und von Lyon über den Rhein-Rhone-Kanal nach Breisach am Rhein zu kommen. Von da aus war es auf dem Rhein und Main nur noch ein kurzer Weg - allerdings ohne Rheinschifferpatent! - nach Frankfurt, wo der Eigner zu Hause war.

Gesagt, getan, und die nötige Crew fand sich auch immer irgendwie - einem Fall waren es sogar ein luxemburgischer Dieb und ein sibirischer Philologe, mit denen ich aber prima auskam.

Mein wesentliches Problem war, daß ich mit meiner Kleidung für die Karibik nicht darauf vorbereitet war, durch herbstliche Nebelschwaden auf einem Kanal das Elsaß zu überqueren. Aber ein fester Overall und ein paar warme Socken, eine Wollmütze und gute Handschuhe halfen über diese Hürde.

Nach der Ankunft in Frankfurt Mitte November hatte ich im Sinn, nach beinahe fünf Jahren, die ich auf Reisen zu Lande und hauptsächlich weltweit auf dem Wasser verbracht hatte, zu prüfen, ob ich mich wieder in Deutschland niederlassen und einen Winter überstehen wollte. Ich hatte wieder mein Wohnmobil bezogen, aber das Wetter gefiel mir schon gleich gar nicht. Auch das politische und gesellschaftliche Klima empfand ich eher als bedrückend.

Letzteres fand ich dann in den Nachrichten vom 23. November bestätigt. Neonazis hatten in Mölln in zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser Brandflaschen geworfen. Bei den Bränden kamen drei Personen ums Leben. Siehe die Links am Schluß. Ich war geschockt und empört und entschloß mich spontan, nach Mölln zu fahren und bei Aufräumungsarbeiten zu helfen, um wenigstens mein winziges Zeichen zu setzen.

So wie ich hatten noch mehr Leute gedacht, und wir waren etwa zwölf Personen aller Altersgruppen, die sich ungefähr eine Woche lang daran beteiligten, den Schutt zu beseitigen und daraus noch das wenige Brauchbare für die Familie Arslan herauszuklauben.


Diese Erfahrung hat dazu beigetragen, daß ich mich in Deutschland gar nicht mehr einleben mochte. Als sich im Februar 1993 die Gelegenheit ergab, zusammen mit einem Bekannten für ein paar Wochen nach Costa Rica zu fliegen, griff ich gerne zu. Aus den paar Wochen wurden drei komplette Monate, und als ich wegen des ablaufenden Visums aus Costa Rica abreiste, hatte ich mir dort - eher zufällig - ein Stück Land nicht weit von der Pazifikküste angelacht, auf dem ich heute noch zeitweise lebe.

Seither habe ich Umtriebe in der rechten Szene in Deutschland und unter den Neonazis aufmerksam verfolgt. Deren Auftreten wurde über die Jahre immer dreister und aggresiver bis hin zu diesem Jahr. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat eine Partei in den Bundestag getragen, die keine Skrupel hat, ihren Nationallismus mit Rassismus, ihre Fremdenfeindlichkeit und ihren Antisemitismus und Judenhass offen zur Schau zu tragen. Das fürchterlichste dabei ist, daß rund ein Achtel aller Wähler dieser Partei ihre Stimme gegeben haben, obwohl es kaum mehr als 70 Jahre her ist, daß eine solche Ideologie die ganze Welt in einen Abgrund blicken ließ.

http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/jahrestag-moelln-101.html

http://t.ln-online.de/Lokales/Lauenburg/Versoehnliches-Gedenken-in-Moelln

http://www.islamiq.de/2017/11/21/moelln-wird-an-brandanschlag-erinnern/

Dienstag, 7. November 2017

Meine "andere" Welt hat mich wieder...

... und es regnet, wie zu dieser Jahreszeit in Costa Rica zu erwarten. Aber nicht jeden Morgen werde ich von solch einer Szenerie empfangen:


Im Schein der aufgehenden Sonne spiegeln sich in diesem Regenbogen schon die Wassertropfen, die später am Tag herunterfallen werden. Die in Augenhöhe vorbeiziehenden Wolken geben zeitweise den Blick auf den grünen Hügelzug auf der anderen Seite "meines" Tals frei. Der Morgen ist noch ganz frisch und rein. Die dunklen Wolken, die im Hintergrund vom Pazifik heranziehen, lassen ahnen, daß es wieder ein feuchter Tag werden wird.

Regen gab es hier in der jüngeren Zeit mehr als genug. Vom Tropensturm "Nate" verursacht hat es in den vergangenen Wochen in gewaltigen Mengen geschüttet, und die Wassermassen haben erhebliche Schäden an Straßen und Brücken verursacht, vor allem auf der Pazifikseite von Costa Rica.

Mein Zuhause im Südwesten des Landes fand ich zum Glück intakt und in einem Zustand vor, als wäre ich nicht weg gewesen. Natürlich gibt es immer kleinere Schäden durch Wind und Wasser, sowie durch Blitzschläge, die über die elektrischen und die Telefon-Leitungen bis ans Haus kommen. Aber hier war nichts passiert, das sich nicht in wenigen Stunden reparieren ließ.

Das habe ich womöglich meinem Hausgeist zu verdanken, unter dessen strengen Augen ich jetzt wieder sitze. Vielleicht erinnert Ihr Euch: von dem habe ich im April im allerersten Post in diesem Blog erzählt.

Dienstag, 10. Oktober 2017

Frühlingserwachen - im Herbst?

Was die Natur auch im scheußlichsten Herbst noch hervorbringen kann, endeckte ich dieser Tage in einem Park nahe Bremen. Als ich dann im Kreis von Bekannten herumfragte, was für eine Pilzsorte das wohl sein könnte, stieß ich auf komplette Unkenntnis. Obwohl niemand diese Pilze kannte, hatte doch jeder einen anderen originellen Namen dafür. Leider kann ich keinen dieser Namen hier wiedergeben, weil alle auf die nicht druckreifen Phantasien dieser Bekannten schließen lassen.

Ich ging also selbst auf die Suche und kam zu dem Schluß, daß ich Pilze aus der Gattung Tintlinge (Coprinos) fotografiert hatte. In diesem Fall wahrscheinlich den Schopf-Tintling oder Tintenpilz, der zu den Champignonverwandten gerechnet wird und jung ein ausgezeichneter Speisepilz sein soll.

Sonntag, 8. Oktober 2017

Am Scheideweg - wie im richtigen Leben


Das gibts tatsächlich: in der ehemaligen Residenzstadt Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern wurde eine kleine Gasse offiziell mit dem nicht gerade originellen Namen "Letzte Straße" ausgestattet.

Beim Anblick der Straßenschilder kam mir die augenblickliche weltpolitische Situation in den Sinn:
Wenn die unberechenbaren Großmäuler auf beiden Seiten des Pazifik nicht bald damit aufhören, mit den Atomwaffen in ihren Händen herumzufuchteln, dann besteht die Gefahr, daß sie die Richtung nach rechts zum Frieden verpassen und stattdessen nach links einbiegen. Damit könnten wir uns dann bald alle in der "letzten Straße" wiederfinden.

(Die tatsächliche "Letzte Straße" in Ludwigslust ist übrigens keine Sackgasse.)

Freitag, 6. Oktober 2017

Schauriger Herbst - nicht mein Fall

Erst fielen nur die Blätter,

dann fielen die kompletten Bäume,
und danach fiel sehr viel Regen.

Spätestens da fiel mir auf, daß ich einen herbstlichen Orkan in Norddeutschland nicht mag. Im Gedanken an meine Alternativen (ihr wißt, daß ich in Europa in einem Wohnmobil reise, und sonst in Costa Rica in festen Häusern lebe) stellte sich aber heraus, daß ich jetzt in meiner Wahlheimat buchstäblich vom Regen in die Traufe käme. Dort hat nämlich der Tropensturm Nate mit heftigen Regenfällen ein ziemliches Chaos angerichtet. Ganze Landstriche stehen unter Wasser und viele Straßen sind unpassierbar.

Ich muß also nicht eilen, um nach Mittelamerika zu kommen, und demnächst reise ich sowieso.

Dienstag, 3. Oktober 2017

Schicksale und Lasten - Gedanken zum heutigen Tag der Einheit

Aus der Zeit gefallen:
Noch immer wird die Erinnerung an die deutsche Teilung von 1949 bis 1989
vom Bremer Roland bewacht und verteidigt.
Seit 1955 prangt am Deutschen Haus am Bremer Markplatz der Satz "Gedenke der Brüder, die das Schicksal unserer Trennung tragen!" Auf Wunsch des damaligen Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen waren die Wörter in beinahe meterhohen Lettern an dem Haus in "Bremens guter Stube" angebracht worden, um an die seit 1949 andauernde Teilung Deutschlands zu erinnern.

Nach 1989 kam natürlich der Gedanke auf, diese Mahnung zu entfernen. Nicht zuletzt aus einem simplen verwaltungsrechtlichen Grund blieb der Satz aber bis heute an dem Ort erhalten: der Spruch ist als Bestandteil des Gebäudes in das Grundbuch eingetragen und darf weder entfernt noch verändert werden.

Bereits 1993 soll der damalige Justizsenator und spätere Bürgermeister Henning Scherf die Inschrift als ein Stück politischer Romantik verteidigt haben. Ihm wurde damals bereits im Hinblick auf den umstrittenen Solidarpakt die Bemerkung zugeschrieben, der Satz dokumentiere die Verlagerung "des deutschen Problems von der Teilung zum Teilen".

Angesichts der offensichtlichen Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher, die sie erst jüngst mit ihren Kreuzen auf Wahlzetteln dokumentierten, sollte die Inschrift heute womöglich besser heißen:
"Gedenke der Brüder, welche die Last der deutschen Vereinigung tragen!"

Mittwoch, 20. September 2017

Einen Vogel haben sie alle...

 ... aber nicht irgendeinen. Für die Adeligen, für Reiche, Provinzen und Städte mußte es selbstverständlich stets ein Adler sein.



Das Neustädter Tor in Tangermünde stammt in seinen Ursprüngen aus dem 14. Jahrhundert. Es ist Teil der noch weitgehend erhaltenen Stadtbefestigung der Hansestadt an der Elbe. Das Bauwerk ist gleich mit fünf Adlern geschmückt. Die Bilder mit den fünf verschiedenen Wappenvögeln zeigen den

 Preußischer Königsadler









Reichsadler des Bismarckreiches von 1871 mit aufgelegtem Hohenzollernschild








Tangermünder Adler









Adler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis 1410








Brandenburgischer Adler.









Dieser eitle Vogel mit Szepter und Krone gehört eigentlich nicht in diese Reihe. Er weist darauf hin, daß die örtliche Apotheke bereits seit 1494 mit einem königlichen Privileg zum Mischen heilsamer Ingredienzen ausgestattet ist.

Sonntag, 17. September 2017

Diesen Platz wollte ich auch noch sehen


Die Adresse Am Großen Wannsee 56-58 weist auf ein "besseres" Wohngebiet in Berlin hin, auf das beste genau genommen. Das Haus - eine luxuriöse Villa - liegt einladend in einem gepflegten Park im Westen der Hauptstadt. Auf der Rückseite grenzt das Anwesen ans Wasser. Die großbürgerliche Villa war ursprünglich für einen Fabrikanten gebaut worden. Eine schönere Wohnlage mit eleganteren Nachbarn, eine mit mehr Prestige läßt sich in Berlin kaum finden.

Während die Gartendekoration der menschlichen Schönheit und dem Leben huldigt, wurde in diesem Hause in dem Salon links unten eines der monströsesten Verbrechen aller Zeiten beschlossen.
Dieser Ort steht als das Synonym für den Ort, an dem in nur 85 Minuten das sorgfältig geplante gößte Verbrechen Nazi-Deutschlands in bürokratische Formen gegossen wurde. Am 20.Januar 1942 trafen sich hier fünfzehn hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Reichsregierung und von SS-Behörden, um den bereits begonnenen und beschlossenen Holocaust und die Vernichtung aller Juden Europas zu organisieren und zu koordinieren. Die hier vereinbarte "Endlösung der Judenfrage" ist später als "Wannseekonferenz" in die Geschichte eingegangen.

Dauerausstellung in exakt dem Raum, in dem der Konferenztisch stand, an dem über das Schicksal von Millionen Menschenleben entschieden wurde.
Das einstige Gästehaus der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdiestes ist seit 1992 eine Gedenkstätte für den Holocaust und den größten Massenmord in der Geschichte.

Wie meist an solchen Orten ist das Ausmaß der hier beratenen und beschlossenen Barbarei nicht mit dem Verstand zu fassen.

Samstag, 16. September 2017

Das "chilling" kann auch zum Frösteln werden - und nicht nur, weil es Herbst wird

Trotz und gerade wegen aller Erlebnisse mit jüdischem Zusammenhang wurde mir in den vergangenen Wochen klar, wie wenig ich tatsächlich weiß über Juden, ihre Religion, ihre Sitten und Gewohnheiten, ihre Geschichte, ihre Verfolgung und Vernichtung - und überhaupt über alles, was Juden und das Judentum betrifft. Ich wußte nicht einmal genau, was Antisemitismus bedeutet, und wie sich der von Antijudaismus unterscheidet.

Ich begann also zu lesen, soweit das möglich ist, wenn einer so unterwegs ist wie ich. Dabei kam mir das Wetter zu Hilfe, das in den vergangenen Wochen deutlich herbstlich wurde, mit Regen und kühleren Temperaturen, was Außenaktivitäten bremste. Im Internet ist eine unübersehbare Fülle von Literatur von und über Juden zu finden, einiges davon ist auch online verfügbar oder kann sogar heruntergeladen werden.

Bei meinem Versuch, mir einen ersten Überblick zu verschaffen, hat mir das Buch "Jüdische Kultur und Geschichte" von Peter Ortag sehr geholfen. Das Buch steht kostenlos bei der Brandenburgischen Zentrale für politische Bildung zum Herunterladen als PDF (etwa 1,6 MB) zur Verfügung. Hier ist der Link:
http://www.politische-bildung-brandenburg.de/sites/default/files/downloads/juedische_kultur_und_geschichte.pdf

Bei der Lektüre fand ich dann eine Chronologie der Judenverfolgung und -vernichtung durch die Nazis in der Zeit von 1933 bis 1945, die mich sehr entsetzt hat. Wir alle haben von Konzentrationslagern, von der Reichspogromnacht im November 1938 und von Auschwitz gehört. Das sind aber "nur" die weltweit bekannten Kulminationspunkte des Nazi-Terrors. Mir war kaum bekannt, wie sehr die Maßnahmen gegen Juden (und gegen andere Minderheiten) gleich von 1933 an den Alltag der Verfolgten regierten. Verbote wohin man sieht, Verbote bestimmte Berufe auszuüben, sich auf Parkbänke zu setzen, zu bestimmten Tageszeiten einzukaufen, Behörden aufzusuchen oder sich in Kurorten aufzuhalten: die Liste nimmt beinahe kein Ende und ist trotzdem unvollständig, wie der Autor selbst anmerkt. So ist auch das Verbot, in der Öffentlichkeit Lederhosen zu tragen, nicht in der Liste enthalten. Ich empfehle sehr, allein diese Liste auf den Seiten 110 bis 124 des erwähnten Buchs zu lesen, um sich eine Vorstellung von dem zu machen, was die Schoa wirklich war: es war eine im schlimmsten Sinn deutsche, eine bürokratisch und detailliert durchgeplante Aktion zur Vertreibung und Vernichtung der Juden.

Seit 2005 soll ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin-Mitte an die in deutschem Namen begangenen Monstrositäten erinnern. Ich fühlte das Bedürfnis, diesen Ort wieder einmal aufzusuchen.



Ein deutscher Politiker, ein Abgeordneter im Landtag von Thüringen für die "Alternative für Deutschland" wagte es, im Januar 2017 in Dresden zu sagen:
"Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." (Björn Höcke)

Und ich sage: Es hätten nicht nur 2711 Stelen gesetzt werden sollen, sondern eine für jeden umgebrachten Menschen. (Dann allerdings wäre Berlin jetzt unbewohnbar.)

Freitag, 15. September 2017

Die Berliner...

 ... immer noch eins draufsetzen!

Der Tourismus in Berlin brummt, man hört fast ebensoviele asiatische Wortfetzen wie Englisch, Spanisch und Holländisch. Obwohl die Stadt überreichlich viele Attraktionen zu bieten hat, jetzt haben eifrige Tourismusmanager dem Turm der St. Marienkirche an der Karl-Liebknecht-Straße auch noch ein Drehrestaurant samt Antennenmast aufgesetzt.

Oder is det womöchlich en Fake, wa?

Donnerstag, 14. September 2017

Liebe Freunde, liebe Leser,

Euch ist selbstverständlich nicht entgangen, wie mein Ton auf diesem Blog etwas ernster geworden ist. Tatsächlich begegne ich in jüngerer Zeit immer öfter Nachrichten und Meldungen und ich stolpere über Steine der Mahnung, die mich zum Nachdenken zwingen. Ein Besuch in der Ausstellung des Märkischen Museums in Berlin zu dem Thema "Berlin 1937 - Im Schatten von Morgen" hat mir vor Augen geführt, wie eine Gesellschaft schleichend ihres Anstands, ihrer Toleranz und ihres Mitgefühls entwöhnt und beraubt werden kann.

Die Zunahme antisemitischer Straftaten im Deutschland der Gegenwart und die wachsende Zustimmung zu einer Partei, die es schon nicht mehr nötig hat, sich von ihren rassistischen und antisemitischen Wortführern zu distanzieren, geben mehr als nur zu Denken. Mich macht der Gedanke zornig, mit welch gefährlich engem, rechtsnationalistischem Horizont immer noch um Stimmen von Gutgläubigen geworben wird!

Ihr in Deutschland steht vor der Wahl für den Bundestag (ich darf als Ausgewanderter nicht mehr mitwählen). Mit großer Wahrscheinlichkeit werden dieser verkappt neo-nazistischen Partei Sitze und Stimmen im Parlament der Bundesrepublik Deutschland zufallen. Sorgt bitte dafür, auch genügend fähige Demokraten in das Parlament zu schaffen, die diesen Populisten in Debatten Paroli bieten können.

Derweil genieße ich die Freiheit, ganz entspannt mit einigen unausgegorenen und unproduktiven Gedanken zu jonglieren, ganz so wie es der Titel dieses Blogs zu suggerieren versucht. Es ist aber nicht ganz auszuschließen, daß ich zuweilen auch den Boden der Wirklichkeit berühre.

Montag, 11. September 2017

Pompeji? Oder?

Nordwestliche Bastion an der Oder
Beim Stichwort "Festung Küstrin" geht im Gedächtnis vieler Deutscher ein Lichtlein an: "War das nicht dort, wo der Leutnant Katte unter den Augen seines Freundes, des Kronprinzen Friedrich hingerichet wurde?" Richtig, das passierte gleich neben dem Schloß im Jahr 1730 und ist vielfach literarisch, in Bühnenstücken und auch in Filmen behandelt worden.

Heute werden die Ruinen der komplett zerstörten Altstadt von Küstrin - inzwischen polnisch Kostrzyn nad Odrą - zuweilen etwas vollmundig als das Pompeji an der Oder beschrieben. Es ist wohl richtig, daß im 2. Weltkrieg keine deutsche Stadt so komplett zerstört wurde, wie die ehemalige preussische Festungsstadt, aber es war eine Zerstörung mit Ansage. Im März 1945 war hier gegen alle militärische Vernunft versucht worden, den Vormarsch der Roten Armee auf Berlin und ihren Übergang über die Oder aufzuhalten. Der heftige Beschuß über mehrere Tage ließ kaum einen Stein auf dem anderen, er kostete vielen Tausenden Soldaten auf beiden Seiten das Leben und änderte trotzdem nichts am raschen Ende des Krieges.
Innenhof des Schlosses im Jahr 2017. Der Sockel trug einst ein Standbild des brandenburgischen Kurprinzen Friedrich Wilhelm. Die Treppe im Hintergrund führte in den Westflügel des Schlosses. 


Apothekergasse
Mehr als siebzig Jahre danach ist der Ort immer noch ein Trümmerfeld, und er wird es wohl auch bleiben. Treppen von Hauseingängen führen ins Nichts, einige der ehemaligen Gassen sind freigeräumt worden und erlauben, zwischen den überwachsenen ehemaligen Hausstellen hindurch zu gehen. Ziegel der zerstörten Häuser sind nach Warschau zum Aufbau der zerstörten Hauptstadt geschafft worden, eine Bastion der Festung wurde als Museum hergerichtet.

Donnerstag, 7. September 2017

Zeugnisse von Intoleranz, Rassismus und Gewalt wohin man den Fuß setzt

Es fing zufällig an, bei meiner Radtour an der Mittelweser. Der Weg führte mich an dem jüdischen Friedhof von Stolzenau vorbei. Davon habe ich am 11. Juli berichtet. Mein Besuch in der KZ-Gedenkstätte in Dachau war dagegen geplant. Auf meinem Weg vom südwestlichsten Winkel Deutschlands nach Osten wollte ich die Gelegenheit nicht verpassen.

Danach, und ohne Absicht, stolperte ich immer wieder über Zeugnisse jüdischen Lebens und Sterbens in Mitteleuropa.

Alter Judenfriedhof in Eisenstadt
 Eisenstadt im Osten Österreichs interessierte mich als Residenzstadt der ungarischen Dynastie der Esterházy und als Landeshauptstadt des Burgenlandes. Das Schloß, ein rechteckiger Kasten ohne viel architektonische Finessen, beeindruckte mich nicht sehr. Doch schon ein paar Schritte weiter stand ich vor dem Österreichisch Jüdischen Museum und damit im ehemaligen Judenviertel der Stadt. Im 17. Jahrhundert hatte der regierende Fürst Esterházy 3000 aus Wien vertriebenen Juden erlaubt, sich in und um Eisenstadt anzusiedeln und hatte sie unter seinen Schutz gestellt. Damit hatte es erst mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich ein Ende. Der noch erhaltene Alte Judenfriedhof in der Stadt ist ein bewegendes Zeugnis jüdischer Geschichte.

Später auf meiner Reise wurde ich in Regensburg wieder auf das Schicksal von Juden aufmerksam. Im Rahmen einer Multimediapräsentation aus Anlaß der Aufnahme der Stadt in die Welterbeliste der UNESCO wurde von der Umgestaltung eines Viertels im Herzen der Altstadt berichtet, nachdem dort im Jahr 1520 das Judenviertel abgerissen worden war. Einfach so, ohne weitere Erläuterung, wurde vom Bau einer Kirche berichtet, ohne in der Präsentation zu erwähnen, daß die Neupfarrkirche der Stadt genau am Platz der ehemaligen Synagoge errichtet wurde. Ich nahm mir vor, später Informationen zu dem Thema zu suchen. Zunächst hatte ich meinen Rundgang durch Regensburg fortgesetzt und stand bald darauf vor einem interessanten modernen Bodenrelief aus weißem Beton, gleich neben der Neupfarrkirche. - Lange nach meinem Stadtrundgang fand ich bei meiner Nachforschung zum Verbleib der Regensburger Juden heraus, daß hier eine der damals größten jüdischen Gemeinden im Reich gelebt hatte. Bei einem Pogrom im Jahr 1519 wurden etwa 300 Juden umgebracht, die anderen wurden vertrieben. Ihr Stadtviertel samt der Synagoge wurde völlig zerstört, ebenso der jüdische Friedhof. Als ich bereits weitergereist war, lernte ich, daß das erwähnte Bodenrelief genau die Fundamente der ehemaligen Synagoge darstellt. Hätte ich das früher gewußt, hätte ich sicher ein Foto davon gemacht...

Danach, auf meiner nächsten Station am 31. August in Bayreuth, bedurfte es keines besonderen Hinweises, um mich auf die Haltung des Komponisten Wagner zu den Juden und die Verquickung des Wagnerschen Familienbetriebs der Bayreuther Festspiele mit dem Nationalsozialismus aufmerksam zu machen. Die Ausstellung über die Vertreibung der Juden aus dem Opernbetrieb vor und während des Dritten Reiches direkt im Park vor dem Festspielhaus beschreibt ausführlich den kläglichen Rassismus im deutschen Kulturbetrieb des 19. und 20. Jahrhunderts.

Wer seinen Rundgang durch die historische Altstadt von Leipzig etwas über den allerinnersten Zirkel um Nikolaikirche, Gewandhaus und Thomaskirche ausdehnt, prallt beinahe auf eine Betonmauer, die zur Erinnerung an das Schicksal von 14000 jüdischen Leipziger Bürgern während des Nationalsozialismus errichtet wurde. So passierte es mir, als ich ahnungslos die Gottschedstaße entlang schlenderte und an die Ecke Zentralstraße gelangte. Auf dem Platz, der nach der Zerstörung der Synagoge in Folge der Pogrome des 9. November 1938 frei geblieben war, erinnern heute leere Stuhlreihen daran, wie die Sitzordnung in dem jüdischen Gotteshaus ausgesehen haben könnte. Auch diesen Ort hatte ich nicht gesucht, und er hat mich dennoch gefunden.

Leipzig
Diese Reihe von Zufällen illustriert wohl nur, wie allgegenwärtig Zeugnisse der Gegenwart und dem Verschwinden von Juden in Europa sind. Juden sind ein wichtiger Teil der Kulturgeschichte, vor allem im deutschsprachigen Raum. Ihre Verfolgung und Vernichtung war zunächst "christlich" begründet, bevor aus dem ursprünglichen Antijudaismus ein verworrener Rassenwahn entwickelt wurde.
Immer wieder treffe ich inzwischen auf Hinweise und Bezüge zum Judentum.






Zu welchen wahnsinnigen und verrückten Auswüchsen der Antisemitismus der Nazis fähig war, will ich mit folgender Begebenheit erzählen. Auf der Autobahn A9 zwischen Nürnberg und Leipzig gibt es kurz vor dem Hermsdorfer Kreuz eine Autobahnanschlußstelle mit Namen Lederhose. Nachdem ich diese Stelle staunend und lachend passiert hatte, ging ich am gleichen Tag noch der Ursache für diesen lustigen Namen nach. Die Erklärung und ein paar Anekdoten dazu finden sich im Internet. Die Suche mit diesem Stichwort förderte aber auch den Link zum Wikipedia-Artikel über Lederhosen zu Tage. Und in dem Artikel fand ich dann erstens die erstaunliche Information, daß Lederhosen keineswegs ein historischer Bestandteil der traditionellen bayerischen Tracht sind, und zweitens daß die Nazis im Jahr 1938 den Juden das öffentliche Tragen von Lederhosen verboten haben. Dazu fällt mir nichts mehr ein.

Donnerstag, 31. August 2017

Und noch 'ne Ruhmesstätte...

Auch wenn es hergesucht und konstruiert klingt, es ist wahr:
Als ich den oberen Teil des Gebäudes zuerst erblickte, hatte ich auf einem Parkplatz vor dem Bayreuther Bahnhof angehalten, um mich zu orientieren. Deshalb glaubte ich, in einiger Entfernung den Giebel eines Lokschuppens oder einer Wagenhalle der Bahn zu sehen. Das ist wirklich kein Scherz, und bitte verzeiht mir die Respektlosigkeit, die ich hier gleich offenbaren muß.

Da ich ohnehin schon in der Nähe vorbei kam, wollte ich ein weiteres berühmtes Bauwerk besichtigen, das mit Hilfe eines bayerischen  Königs entstand. Dieses Mal galt mein Interesse der Mitwirkung des Enkels des im vorigen Post erwähnten Ludwig I. von Bayern. Ludwig II. ist als Förderer der Künste und Eigentümer einer geradezu überbordenden Fantasie und Baulust in die Geschichte eingegangen und hat immer noch einen Platz im Herzen vieler Bayern als ihr "Kini".

Das Gebäude, das hier in Bayreuth mit einem großzügigen Kredit des Königs entstand, war ein Opernhaus, allein und exklusiv von seinen Protegé Richard Wagner geplant und nur für die Aufführung seiner eigenen Werke gedacht. Dieses von mir zunächst mißinterpretierte Bauwerk ist also eigentlich - und tatsächlich! - ein Lock-Schuppen und eine Wagner-Halle. Die Aufführungsstätte für Wagnersche Opern lockt noch heute, 141 Jahre nach ihrer Einweihung und 134 Jahre nach dem Tod des Komponisten, jeden Sommer tausende Musikliebhaber aus aller Welt zu den Bayreuther Festspielen und der Aufführung der zehn Hauptwerke des Meisters. Noch immer regiert auf dem "Grünen Hügel" in Bayreuth der Wagner-Clan das Festspielgeschehen, inzwischen in der dritten Generation nach dem Tod des Gründers dieses Familienbetriebes.


Ich bin kein besonderer Liebhaber und Kenner von Opern, auch nicht der Werke von Wagner. Meine Fähigkeit, den außerordentlich umfangreichen Tondichtungen aufmerksam zu lauschen, reicht nicht weit über die Ouvertüren oder - vom Meister Wagner so genannten - Vorspiele hinaus. Kürzlich hatte ich bei der Eröffnung der diesjährigen Festspiele die Gelegenheit, eine Live-Übertragung der "Meistersinger" im Radio zu hören. Sogar mit der Möglichkeit, dem Gesang durch Mitlesen des Librettos zu folgen, erlahmte meine Aufmerksamkeit nach zwei Stunden. Und das ganze Werk dauert dreieinhalb Stunden, die Erholungspausen zwischen den Aufzügen nicht mitgerechnet. An der Stelle wurde mir bewußt, welche Leiden beispielsweise eine Bundeskanzlerin zu ertragen hat, deren Präsenz bei solch einer Premiere erwartet wird.

Seit die Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1876 und Wilhelm II. im Jahr 1889 die Eröffnung der Festspiele mit ihrer Gegenwart "geadelt" haben, ist es für Leute "von Stand" Brauch, Sitte und Verpflichtung, bei den Festspielen zu erscheinen. Nicht selten war in dieser Gesellschaftsklasse auch ein ausgeprägter Antijudaismus oder Antisemitismus anzutreffen, der mit der offen bekannten Haltung von Meister Wagner durchaus korrespondierte.

Diese Geisteshaltung Wagners hinsichtlich der Ablehnung von Juden kulminierte vor und während des Dritten Reichs, als sich die Familie Wagner den "Onkel Wolf" zum Freund machte - oder umgekehrt. Schon lange vor seiner Machergreifung im Jahr 1933 war Adolf Hitler häufiger und gern gesehener Gast auf dem Grünen Hügel und ließ sich im Kreis der Familie mit "Wolf" anreden. Die innigen Bande zwischen dem "Führer" und den Wagners führten 1936 sogar dazu, daß die Festspiele in Bayreuth während der Olympischen Spiele in Berlin unterbrochen wurden. "Onkel Wolf" fuhr mit seinem Sonderzug direkt aus Bayreuth zur Erföffnung der Spiele nach Berlin, und er kehrte nach dem Ende der Sportwettkämpfe zur Fortsetzung der Opernspiele nach Bayreuth zurück.

Die Nähe der Familie Wagner zum Naziregime hinterließ einen braunen Fleck auf dem Namen Wagner, seinen Werken und den Festspielen. In diesem Jahr 2017 mußte es der Komponist, vertreten durch eine von Arno Breker geschaffene Büste im Park vor dem Festspielhaus, nun erdulden, daß ihm die Tafeln einer Ausstellung zum Thema des Schicksals jüdischer Künstler im Zusammenhang mit den Bayreuther Festspielen direkt vor die Nase gestellt wurden.


Die Ausstellung "Verstummte Stimmen - Die Bayreuther Festspiele und die 'Juden' 1876 bis 1945" beschreibt die Vertreibung jüdischer Künstler aus deutschen Opernhäusern und Theatern. Zu diesem Bemühen, "deutsche Kultur" vor der "Zersetzung" zu retten, gilt Richard Wagner als einer der Stichwortgeber. Schon 1850 hatte er in einem Aufsatz gegen "Das Judenthum in der Musik" gehetzt. Die Ausstellung zeigt, wie seine Erben durch Diffamierung und Ausgrenzung jüdischer Künstler die Festspiele mißbraucht und damit der staatlichen Verfolgung im Dritten Reich den Boden bereitet haben.

Montag, 28. August 2017

Über 358 Stufen zur Stätte ewigen Ruhms

An einem der heißesten Tage des Jahres habe ich mich unter praller Sonne auf den Weg gemacht, für einen Lorbeerkranz hat es dennoch nicht gereicht.

Wer ein wenig östlich von Regensburg von der Donau heraufkommend die Treppen des gewaltigen Sockels erklimmt, erreicht ein Kuriosum, das weithin sichtbar eine Biegung des Flusses überragt:

Ein gewaltiger Ruhmestempel in griechischem Stil, für den der Parthenon auf der Akropolis in Athen Vorbild ist, beherrscht das Landschaftsbild. Ausgeführt in weißem Kalkstein, umgeben von 52 dorischen Säulen, errrichtet auf Veranlassung des Bayernkönigs Ludwig I. in den Jahren 1830 bis 1844, ist der monumentale Bau gedacht als Aufbewahrungsort für Büsten und Gedenktafeln bedeutender Persönlichkeiten "teutscher Zunge". Benannt ist der pseudo-hellenistische Prunkbau nach Walhall, der Ehrenhalle für die Gefallenen aus der nordischen Mythologie. Mit anderen Worten: hier hat sich der König von Bayern mit Anleihen aus der Antike und von den Germanen, und vermutlich aus der Staatskasse, für vier Millionen Gulden ein Denkmal setzen lassen, um die von ihm als "große Deutsche" erachteten Persönlichkeiten und wichtigen Ereignissen der germanischen Geschichte zu ehren.

Das ging natürlich nicht immer ohne Meinungsunterschiede hinsichtlich der Bedeutung der Persönlichkeiten, und darüber, wer in den Kreis der Erlauchten aufgenommen gehörte, und wer nicht. Während König Ludwig die ursprüngliche Auswahl traf, entscheidet heute der bayerischen Ministerrat darüber, wer als nächster in das marmorne Panoptikum aufgenommen zu werden verdient.

Heinrich Heine

Bei dem "jüngsten" Neuzugang handelt es sich sogar um einen Heroen, der sich womöglich noch aus dem Grab gegen diese Ehre zur Wehr setzen würde, wenn er könnte. Die Büste des Dichters Heinrich Heine wurde der Sammlung 2010 als 130. Marmorkopf hinzugefügt, ungeachtet der Tatsache, daß er zu Lebzeiten einer der eifrigsten Lästerer und Kritiker dieser "marmornen Schädelstätte" war.

Jetzt bleiben nach dem offiziellen Aufstellungsplan nur noch vier freie Plätze übrig. Sollte dann wirklich die Sammlung wichtiger Deutscher komplett sein und geschlossen werden?

Hier kann doch die deutsche Geschichte nicht enden!
Ein neuer bayerischer König muß her - und ein Anbau!

Einmal im Leben fast auf Augenhöhe mit den Größten:
Hier mit Gneisenau, Goethe und Luther

Montag, 21. August 2017

Noch ist sie da: Österreichs größte Pfütze

Am Hafen von Podersdorf auf der Ostseite des Neusiedler Sees

Am südöstlichsten Punkt meiner diesjährigen Reise angekommen, habe ich ich nachgesehen, und das Wasser noch gefunden.

Zwar ist der Neusiedler See gegenwärtig mit 320 Quadratkilometern bei einer Länge von rund 34 Kilometern und einer Breite zwischen fünf und acht Kilometern der größte See Österreichs, aber ob das morgen noch so ist, kann man bei dem Gewässer mit letzter Bestimmtheit nicht wirklich sagen. Zum einen, weil knapp ein Drittel des Sees zu Ungarn gehört, und zum anderen, weil dieser See in der Geschichte mal da war, und dann auch wieder fast nicht.

Eigentlich ist der See die Rest-Pfütze eines urzeitlichen Meeres, vereinfacht gesprochen. Als dieses sich während der Entstehung der Alpen nach Süden zurückzog, blieb ein Binnengewässer, das immer weiter austrocknete und verlandete. Schließlich blieb der seichte See, der kaum zwei Meter tief ist und keinen natürlichen Abfluß hat. In gewöhnlichen Sommern schaffen die wenigen Zuflüsse es nicht, die Verdunstung des Wassers auszugleichen. Dazu kommt, daß das Sumpfland vor allem am westlichen Ufer des Sees immer mehr mit Schilf zuwächst.

Wein bei Breitenbrunn
(Neusiedler See)
So hat es bis ins 20. Jahrhundert hinein Epochen gegeben, in denen der See fast gänzlich verschwunden war. Zeitweise war die Austrocknung so weit fortgeschritten, daß der Seeboden für Reispflanzungen genutzt wurde, und es gab sogar Pläne, den See gänzlich in Ackerland zu verwandeln. Dann wieder stieg der Pegel des Sees so hoch, daß Dörfer am Ufer teilweise überflutet wurden.

Inzwischen soll es Prognosen geben, die eine gänzliche Austrocknung des Sees bis 2050 voraussagen. So ist es nur zu gut zu verstehen, wenn das Gewässer im Sommer reichlich von Seglern, Windsurfern und Bootssportlern und im Winter zum Eislaufen genutzt wird. Schiffsausflüge sind beliebt, und Fahrradtouren rund um den See.

Genießt das Wasser, solange es noch da ist!

Donnerstag, 17. August 2017

Über die dunkle Seite des Tourismus

Venedig, Florenz, Prag, Rothenburg, Rüdesheim, Dürnstein, Mont St. Michel, Salzburg,  - alle diese Orte und noch viele mehr haben eine Krankheit gemein (um nicht zu sagen die Pest), zu deren Ursache auch ich gehöre. Wo immer Touristen auftauchen, hinterlassen sie einen Ort verändert. Treten die auswärtigen Gäste in großer Zahl im Verhältnis zur angestammten Bevölkerung auf, können sie einen Ort bis zur Unkenntlichkeit umkrempeln. Aus einem funktionierenden landestypischen sozialen Organismus kann ein Markplatz zum Abkassieren von Reisenden werden.

Solch einen Fall habe ich jüngst mit einiger Traurigkeit besucht und erlebt:


Český Krumlov oder mit ihrem deutschen Namen Krumau oder auch Böhmisch Krumau ist eine reizvolle Kleinstadt im tschechischen Südböhmen. Der kleine Ort hat alles, was ein attraktives touristisches Ziel ausmacht, womöglich zu viel davon. Die historische Altstadt fügt sich auf reizvolle Weise in eine Flussschleife der Moldau. Der Ort verfügt über alle Attribute, die zu einem Besuch reizen: eine Burg, ein Schloss, Kirchen, Museen, enge romantische Gassen zwischen alten Häusern, einen ansehnlichen Marktplatz. Das alles hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert und sogar noch früher, und ist bis heute nahezu unverändert erhalten. Das alles hat sich weltweit herumgesprochen.

Heute ist die Stadt von Menschenmassen bevölkert, die von überall herkommen, am wenigsten aber aus Krumau. Die Trauben von Touristen, die sich aus den Bussen ergießen, palavern in allen Weltsprachen, und die meisten davon in asiatischen Idiomen. Dementsprechend hat sich die Wirtschaft des Ortes auf die Besucher eingerichtet: unzählige Restaurants reihen sich an noch mehr Andenkenläden, Juweliergeschäfte bieten landestypische Produkte ebenso an wie Keramikläden und Kunsthandlungen. Der Rest der Häuser ist von Hotels und Pensionen belegt.

Die Stadt hat ihren alten und ursprünglichenn Charakter ganz und gar eingebüßt. Das gewöhnliche Alltagsleben einer Kleinstadt gibt es nicht mehr. Wollte ein Krumauer heute ein Päckchen Butter oder einen Hammer und Nägel kaufen, muß er vermutlich hinaus an den Stadtrand gehen.

Sogar Einheimische beginnen schon über die Flutwelle von Touristen zu klagen, die sich über ihren Ort ergießt. Ich hörte, wie sich eine junge Serviererin in einem Restaurant bei englischen Gästen über die Menge von asiatischen Gästen beklagte. Daß am Nebentisch ein vermutlich japanisches Paar zuhören konnte, schien die junge Frau nicht zu beunruhigen. Darauf angesprochen sagte die Bedienung zu mir, daß die Asiaten sowieso selten Englisch verstünden, und versicherte obendrein, sie sei keine Rassistin.

Als kleinen Schabernack habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten in Geschäften und Restaurants die Bemerkung hinterlassen, die Chinesen kämen ohnehin nur, um alles zu fotografieren und dann daheim eine Kopie von Krumau zu bauen. Für gänzlich undenkbar halte ich das tatsächlich nicht, so begeistert wie sich die Besucher aus dem fernen Osten zeigen. Die inzwischen offenbar zu einigem Wohlstand gekommenen Bürger aus dem Reich der Mitte schicken inzwischen sogar schon ihre Kinder auf Touren durch Europa, damit sie den alten Kontinent kennen lernen. Wohin diese Mädchen und Jungen in ein paar Jahren noch reisen möchten, ist nicht so recht vorstellbar. Sie kennen doch schon beinahe alles.

Kindergruppe aus Shanghai, zum Foto aufgestellt auf dem Marktplatz von Český Krumlov

Samstag, 12. August 2017

Bundestagswahl - meine persönliche Prognose

Seit vielen Jahren bin ich zu Zeiten von Bundestagswahlen nicht in Deutschland gewesen. In diesem Jahr soll in knapp sechs Wochen gewählt werden, und ich habe bisher kaum Wahlwerbung gesehen. Es scheint beinahe so, als wäre der Ausgang der Wahl schon entschieden und alles bliebe, wie es ist.

Dieses Wahlplakat in Passau hat mich zu einer ganz persönlichen Interpretation verleitet:

Die Kanzlerin muß als "Allgemeine Gefahrenstelle" verstanden werden. Das Stimmergebnis wird für sie bei etwa 30 Prozent liegen, mit einem Abwärtstrend nach links. Ob der Bauzaun sie nun schützen soll, oder ob sie hinter Gitter gehört, das ist noch nicht ausgemacht.

Freitag, 11. August 2017

Byzantinische Vesper statt bayrischer Brotzeit

Auf einer Radtour kam ich zufällig nach Niederaltaich, einem kleinen Dorf mit einer Fähre über den Fluß, zwischen Deggendorf und Vilshofen an der Donau gelegen. Nahe des Fähranlegers gibt es einen Bereich, auf dem Wohnmobile geduldet werden, jeweils für kurze Zeit. Die schöne Lage direkt am Flußufer lud mich geradezu ein, mein Mobil für die Nacht dort zu parken.

Bei meinem Rundgang durch Niederaltaich fand ich ein altes, großes und wohl bedeutendes Benediktinerkloster, von dem ich vorher nie gehört hatte. Klöster an sich interessieren mich nicht so sehr, es sei denn sie bieten neben seelsorgerischen Angeboten auch Labung für den Leib, flüssige und feste. Damit hatte ich bei früheren Reisen schon im Kloster Weltenburg gute Erfahrungen gemacht, und gerade jüngst erst im Kloster Andechs.

Auch hier in Niederaltaich lud ein Klosterkrug zum Verweilen ein, und lockte mit dem Bier einer Klosterbrauerei und deftigen bayrischen Schmankerln. Meine Neugier führte mich aber zunächst in den Hof des Klosters. Dort entdeckte ich zu meiner Verwunderung das schön gestaltete Portal einer byzantinischen Kirche, die dem heiligen Bischof Nikolaus von Myra geweiht ist. Die Neugier verleitete mich, die Kirche zu betreten und dort fand ich mich gerade rechtzeitig bei der Vorbereitung des abendlichen Vesper-Gottesdienstes ein.


Der Kirchenraum war hoch und dunkel, nur erleuchtet von hunderten kleinen Kerzen. Als sich meine Augen langsam an das Dunkel gewöhnt hatten, war der Gottesdienst schon im Gang. Ich setzte mich in eine Ecke und versuchte, nicht aufzufallen. Ich bin nichts weniger als religiös, aber ich respektiere die Überzeugungen Andersdenkender, zumal wenn ich mich in deren Haus aufhalte. So war ich froh, nicht in Shorts in diese weihevolle Situation geplatzt zu sein, und ich stand auf, wenn es die anderen Gottesdienstbesucher taten, und setzte mich, wenn es die Liturgie anscheinend erlaubte.

Gebete, Bibel- und andere Texte wurden von vier Mönchen singend vorgetragen. Ich verstand so gut wie nichts davon, aber meinte Deutsch zu hören. Die Besucher nahmen schweigend an der Zeremonie teil und bekreuzten und verneigten sich zuweilen tief. Der Gottesdienst wurde von einem bärtigen Popen in seinem schwarzen Priestergewand samt zeremonieller Kopfbedeckung geleitet, der stets durch eine Tür auf der linken Seite einer mit Ikonen geschmückten Wand erschien, dann zu einer Öffnung in der Mitte der gleichen Wand sprach oder sang, mit dem Rücken zur Gemeinde, und schließlich durch eine Tür auf der rechten Seite der gleichen Wand wieder verschwand. Das wiederholte sich mehrmals: links herein, in der Mitte gebetet oder angebetet, rechts wieder hinaus.

Gegen Ende des etwa dreiviertelstündigen Gottesdienstes erschien der Priester, ein Weihrauchfaß schwenkend, mit dem er erst die Heiligenbilder im Saal mit einer guten Portion des würzigen Rauchs bedachte, und dann durch die Reihen gehend alle Anwesenden, mich eingeschlossen, beweihräucherte. Schließlich verschwand er wieder durch die rechte Tür, die mittlere Öffnung in der Ikonenwand wurde von innen mit einem Vorhang geschlossen, und damit war das Ende des Vespergottesdienstes signalisiert. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in ganzer Länge bei einem römisch-katholischen Gottesdienst verweilt zu haben. Hier hatte ich solch ein Ereignis nach byzantinischem Ritus ohne erkennbare Auswirkungen auf meinen Seelenzustand erlebt. Der Leib war aber inzwischen noch hungriger und durstiger, die Einkehr in die Klosterschenke hatte ich mir redlich verdient.

Später las ich nach und erfuhr, daß das Kloster im Sinne einer ökomenischen Zielsetzung die Theologie und Frömmigkeit des Ostens bekannt zu machen sucht und darin einem Auftrag folgt, der den Benediktinern bereits 1924 von Papst Pius XI. zur Aufgabe gemacht wurde. Aus diesem Grund beten und leben ein Teil der Mönche in Niederaltaich nach dem römischen, ein anderer Teil nach dem byzantinischen Ritus. Die byzantinische Kirche im russischen oder griechischen Stil wurde erst 1986 in einen Teil des Klosters gebaut, der vorher die Klosterbrauerei gewesen war.

(Erst beim Hinausgehen sah ich im Eingangsbereich der Kirche die Aufforderung, während des Gottesdienstes nicht zu fotografieren oder zu filmen. Das ist eine beinahe überflüssige Ermahnung, denn die Finsternis in der Kirche macht jeden derartigen Versuch nahezu unmöglich. Und welcher Barbar wird während des Gottesdienstes einen Blitz benutzen?)

Donnerstag, 10. August 2017

Einverstanden

SPIEGEL Online am 10.08.2017
Niemals hätte ich geglaubt, daß ich mit der nordkoreanischen Militärführung einmal einer Meinung sein könnte, der diese Aussage zugeschrieben wird.
Aber es ist nun einmal so.

Mittwoch, 9. August 2017

Dachau


Für die meisten meiner Generation ist Dachau wahrscheinlich mehr Synonym für ein Konzentrationslager als der Name für eine Stadt. Bisher war ich nie dort gewesen, weder in der Stadt noch in der KZ-Gedenkstätte.

Auf der Fahrt dorthin machte ich eine Pause in Fürstenfeldbruck. Auch diesen Ort kenne ich eigentlich nicht, aber auch der Name wird mir stets mit einer Begebenheit während der 1972er Olympischen Spiele in München in Erinnerung bleiben. Soweit ich mich erinnere, scheiterte dort auf einem Flugplatz ein Befreiungsversuch für israelische Sportler, die von Palästinensern im Olympischen Dorf als Geiseln genommen worden waren. Ich mag mich in Details irren, aber ich habe diesen Vorfall jetzt absichtlich nicht eingehender nachgelesen, weil der hier nicht mein Thema sein soll.

Dachau ist sicher kein häßlicher Ort, und man kann dort, kaum zwanzig Kilometer nordwestlich von München, vermutlich gut leben. Es ist ungerecht für die heutigen Bewohner, daß der Name ihrer Heimatstadt immer noch automatisch mit der barbarischen Institution des Nazi-Regimes in Verbindung gebracht wird. Jedenfalls von mir.

Bei der Annäherung an die Gedenkstätte, durch nette Wohnviertel mit hübschen Häuschen radelnd, beschlich mich ein unangenehmes Gefühl der Banalität des Grauens. Die Gegend hatte 1933 wahrscheinlich nicht viel anders ausgesehen, als in der unmittelbaren Nachbarschaft in einer ehemaligen Munitionsfabrik der Prototyp der Nazi-Verfolgungs- und Vernichtungsmaschinerie entwickelt wurde.

Was ich bis zu meinem Besuch dort nicht wußte, war, daß es sich bei dem Konzentrationslager Dachau um die erste Einrichtung dieser Art handelte, und daß es das einzige KZ war, das bis zum Zusammenbruch des Regimes im Mai 1945 ununterbrochen alle zwölf Jahre während des ganzen "Tausendjährigen Reiches" existiert hat.

Das Lager war am 20. März 1933, nur 50 Tage nach der Machergreifung Hitlers, gleich vor den Toren Münchens eingerichtet worden, um dort mißliebige politische Gegner, besonders der politischen Linken und Sozialdemokraten, zu inhaftieren. Danach wurde das KZ Dachau zum Modell für weitere Lager entwickelt, die bald im gesamten Deutschen Reich eingerichtet wurden.

Im Konzentrationslager Dachau wurden über die gesamte Zeit des Bestehens etwa 200.000 Menschen festgehalten, wovon wahrscheinlich etwa 43.000 starben. Viele der Häftlinge wurden in Vernichtungslager des Regimes überstellt und starben dort.

Mein Weg über die Gedenkstätte
Ich habe bei meinem Besuch in der Gedenkstätte solche und ein paar weitere Einzelheiten gelernt, die mir vorher nicht bekannt waren. Dies war bei weitem nicht mein erster Besuch in Gedenkstätten der Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945, und auch nicht derjenige, der mich am meisten beeindruckt hat (das geschah mir vor vielen Jahren in Theresienstadt, dem heutigen Terezín in Böhmen). Wie viele andere solcher ehemaligen Stätten von Unmenschlichkeit und Grausamkeit kann auch die Gedenkstätte Dachau heute in ihrer musealen Geschniegeltheit kaum noch einen Eindruck der damaligen Barbarei vermitteln.

Was ich gelernt habe, und was mich immer noch empört, ist die Tatsache, daß es nach dem Ende der Barbarei, nach der Wiederbesinnung auf menschliche Werte und demokratische Regeln rund zwanzig Jahre dauerte, nämlich bis 1965, bis sich die Verantwortlichen der neuerstandenen Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern darauf besannen, diesen Ort des Ursprungs aller Monstrosität und Menschenverachtung als Gedenkstätte einzurichten. Und auch das geschah zum größeren Teil auf die Initiative Überlebender des Konzentrationslagers, weniger auf Einsehen der politischen Klasse jener Zeit. Es scheint tatsächlich so, als hätten in den 1950er und -60er Jahren noch viele Ehemalige des vormaligen Regimes genügend Einfluß gehabt, diese ihre Vergangenheit lieber dem Vergessen zu überlassen.

Mit Beklemmung habe ich auch gesehen, daß die ehemaligen SS-Kasernen gleich neben der heutigen Gedenkstätte in der Gegenwart als Kaserne für die Bayrische Bereitschaftspolizei verwendet werden. Diese Kasernen waren ehemals Ausbildungs- und Drillstätte für den SS-Nachwuchs. Hier wurden die künftigen KZ-Aufseher und -Kommandanten in Unterdrückung, Peinigung und Vernichtung menschlichen Lebens  unterwiesen. Das Konzentrationslager gleich nebenan war Übungsstätte für die Erziehung der damaligen Herrenmenschen-Elite.

Bei all der hier geäußerten Empörung, Entrüstung und Beklemmung bin ich mir nicht sicher, ob ich als junger Mann in der damaligen Zeit genügend Mumm und Verstand gehabt hätte, mich den Zeitläuften entgegen zu stellen...

Hoffentlich gelingt mir das heute, wenn die Situation es erfordert.

Montag, 7. August 2017

Unfromme Gedanken beim Andechser Doppelbock

Eines der berühmtesten Ziele für Wallfahrten in Bayern ist das Kloster Andechs. Die wenigsten Besucher kommen für religiöse Einkehr oder um den "Heiligen Schatz" zu verehren. Vielmehr hat das Andechser Bier einen ausgezeichneten Ruf und es kommt in seiner Version als Doppelbock mit einer berauschenden Wirkung, die religiöser Ekstase womöglich schon nahe ist. Von der jährlichen Produktion von weit über 100.000 Hektoliter Bier aus der klostereigenen Brauerei werden rund fünf Prozent in der Klosterschenke an die Pilger zum "Heiligen Berg Bayerns" ausgeschenkt.

Das Kloster Andechs auf der Ostseite des Ammersees ist heute ein bedeutendes Wirtschaftsunternehmen, das seinen Ursprung in einer Burgkapelle hat, zu der bereits seit 1128 Wallfahrten bekannt sind. Der Historie zufolge hatte Graf Hasso von Andechs-Meranien im 10. Jahrhundert aus Jesrusalem Reliquien mitgebracht, zu denen Partikel vom Kreuz Jesu, ein Stück aus seiner Dornenkrone, ein Teil des Gürtels Mariens und das Tuch gehört, in das die Gottesmutter nach ihrem Tod gehüllt war. Zusammen mit dem "Siegeskreuz Karls des Großen" bildeten diese Objekte den Grundstock für den "Heiligen Schatz".
Und es wird auch davon berichtet, daß ein Teil des Schatzes das "Sanctum praeputium", die Vorhaut Jesu gewesen sei.

Wie es scheint, war Graf Hasso (+954) ein besonders (gut-)gläubiger Genosse seiner Zeit, der sich auf den Basaren im Heiligen Land allerhand Tand aufschwatzen ließ. Dennoch sollte sich die Investition zweihundert Jahre später als rentabler Grundstock für ein heute florierendes Glaubens-Unternehmen erweisen.

Unzweifelhaft war der Knabe Jesus ein Jude, und vermutlich wurde er am achten Tag seines Lebens beschnitten. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Vorhaut des Pflegesohns eines armen Zimmermanns nach der Beschneidung nicht in der Erde verscharrt, sondern entgegen den jüdischen Regeln in Öl eingelegt und aufbewahrt wurde, dürfte sehr gering sein. Daran darf glauben wer will.

Nach Auffassung der katholischen Kirche ist Jesus mit seinem Körper "in einem Stück" zum Himmel aufgefahren. Von seinem Leib könnten auf der Erde also nur die Nabelschnur, seine Milchzähne, abgeschnittene Finger- und Zehennägel, sowie die bei der Beschneidung abgetrennte Vorhaut übrig geblieben sein. All diese Objekte wären Reliquien "erster Qualität", wenn sie denn existierten und ihre Echtheit zu beweisen wäre. Hilfsweise genügt auch, an die Echtheit zu glauben.

Solchen Glauben machten sich zeitweise mehr als vierzig Orte vornehmlich in Europa zu Nutze, unter ihnen Andechs und Hildesheim, die von sich behaupteten, die Vorhaut Jesu oder zumindest Teile davon aufzubewahren. Besonders überzeugend gelang das im zwölften Jahrhundert Antwerpen und Rom, die in erbitterter Konkurrenz um die Echtheit des Zipfels des Herrn stritten.

In der Folge mannigfaltiger Kriegswirren, der Reformation und der Französischen Revolution verlieren sich die Spuren der heiligen Vorhaut. Auch in Andechs wurde seit dem Mittelalter nicht mehr von dieser allerheiligsten aller Reliquien gesprochen.

Einzig das römische Exemplar scheint Spuren bis in das 20. Jahrhundert hinterlassen zu haben. Nach dieser Version soll das "Ringlein" mit seinem Reliquiar im Jahr 1527 nach der Erstürmung Roms mit einem deutschen Legionär in die kleine italienische Stadt Calcata gekommen sein. Seither wurde es in der Pfarrkirche des Ortes aufbewahrt und bis 1983 bei öffentlichen Prozessionen gezeigt. Im gleichen Jahr verschwand die Reliquie unter ungeklärten Umständen.

Es ranken sich verschiedene Theorien um das Verschwinden. Es wird sogar angenommen, der Vatikan selbst habe sich des inzwischen als unzeitgemäß angesehenen Objekts der Verehrung entledigen wollen.

Bei der Durchsicht verschiedener Publikationen zu diesem Thema stieß ich auf zwei besonders interessante Veröffentlichungen:

Der eine Autor erwähnt die Möglichkeit, die katholische Kirche wollte angesichts der rasanten Entwicklung der Biotechnologie die Gefahr beseitigen, daß Wissenschaftler eines Tages versuchen könnten, DNA aus dem Hautschnipsel zu isolieren und damit die Familienzugehörigkeit des Erlösers bis in die Gegenwart zu verfolgen, oder gar den Versuch wagen könnten, Jesus Christus zu klonen. Tatsächlich könnten beide Möglichkeiten katastrophale Folgen für das Christentum haben, gleich ob die Reliquie nun echt wäre oder nicht.

Der andere Autor hat das Verschwinden des heiligen Präputium als Satiriker verarbeitet. Nach seiner Version hat jemand den vertrockneten Schnipsel bei ebay erstanden, um ihn seiner religiösen Mutter zu Ostern zu schenken. Wie die Geschichte ausgeht, will ich hier nicht vorwegnehmen. Lest selbst:
http://www.satire-clips.de/reliquien-die-heilige-vorhaut/1037/


Sonntag, 6. August 2017

Sonntagsimpressionen vor dem Ulmer Münster

Lichtbildner wohin man sieht.


Man könnte sich fragen, wie es der Fotoindustrie ergangen wäre, wenn dort jemand auf die Idee gekommen wäre, die Fotoapparate auch mit einem Telefon auszurüsten.


Manche Smartphone-Besitzer geben sich angesichts der ungeheuren Höhe des
Münsters sichtbar Mühe, das Gebäude ganz aufs Bild zu bekommen.

Freitag, 4. August 2017

... da haben wir den Salat!



Salate von der Insel Reichenau, in Reih und Glied angetreten, wie die Soldaten bei einer Parade. Tatsächlich verteidigen sie hier das Recht, sich und andere Produkte der fruchtbaren Bodenseeinsel mit einer von der EU geschützten Herkunftsbezeichnung schmücken zu dürfen. Die Insel ist nicht nur fruchtbar, sondern liegt auch in einem besonders günstigen Klimabereich, der bis zu drei Ernten im Jahr möglich macht.

Rührt Euch ... nicht!

Mittwoch, 2. August 2017

Rast am Rhein bei N47°35,23' und E007°53,37'


Heute habe ich den südwestlichsten Punkt der für dieses Jahr geplanten Reise in Europa erreicht. Rund 25 Kilometer östlich von Basel und 15 Kilometer westlich von Bad Säckingen, gegenüber Schloss Schwörstadt (Bildhintergrund), habe ich auf dem Schweizer Rheinufer eine Pause gemacht und - Schweizer Präzision nachahmend - nachgerechnet. Bis zu dieser Stelle bin ich in diesem Jahr seit Mai in etwas weniger als drei Monaten genau 1499,4 Kilometer mit dem Rad gefahren. So sagt jedenfalls mein Logger. Und dabei fehlen sogar noch ein paar -zig Kilometer, die ich einfach zu loggen vergessen habe.

Von jetzt an geht es erst einmal eine Weile nur in östlicher Richtung. In der vierten Augustwoche bin ich mit lieben Freunden in Wien verabredet...

Freitag, 28. Juli 2017

Uni-Bibliothek in Freiburg: Spiegel der Zukunft?

Die Studenten in Freiburg sind anscheinend nicht nur recht belesen sondern auch enorm rad-befahren.


Es macht mir Spaß, die Zeichen einer Generation zu sehen, die die Probleme des Individualverkehrs erkannt haben könnte. Und das nicht nur, weil Papi keinen Porsche spendiert.

Donnerstag, 27. Juli 2017

Heiter bis wolkig...



Hochsommerliche Impression vom Hochschwarzwald. Aber wenigstens kein Hochwasser. Was hier auf 950 Meter Höhe in Bernau auch wirklich Anlaß zur Sorge gegeben hätte.

Grund für Sorge hatten die Leute weiter im Norden und in tieferen Lagen, denen das Wasser in die Keller und in die Stuben lief.