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Screenshots zum 23. November 2017 von
Süddeutscher Zeitung, sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitung und Handelsblatt
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Vor rund zwei Wochen wurde ich durch eine Zeitungsmeldung an ein Ereignis vor 25 Jahren erinnert, das zumindest teilweise meinen Lebenslauf beeinflußt hat. Hier in meinem tropischen "Winterlager" habe ich die Zeit, meinen Weg zu diesem Erlebnis etwas ausführlicher zu schildern.
Im Herbst 1992 war ich im Zuge der Überführung eines Segelschiffes statt in der Karibik in einem Werfthafen in Frankfurt am Main gelandet. Eigentlich hatte ich die Reise gar nicht machen wollen, und mit dem schließlichen Reiseziel schon überhaupt nicht, aber ein Bekannter hatte mich bekniet, sein gerade in Italien gekauftes gebrauchtes Boot für ihn in die Karibik zu fahren, wo er es dann selbst übernehmen wollte. Die Reiseroute gefiel mir, und die Konditionen waren recht angenehm. Also hatte ich zugesagt, und das rund 20 Jahre alte Stahlschiff von 15 Meter Länge in Ancona von dem früheren Eigner übernommen. Auf dem ersten Teil der Reise bis Mallorca begleitete mich der neue Eigner.
Trotz eines teuren Werftaufenthalts auf Malta, wo das Getriebe repariert wurde, war die Liste der Mängel an der Ketsch bis Mallorca schon wieder so lang, daß in dem Zustand an eine Atlantiküberquerung nicht zu denken war. Der neue Eigner war natürlich kreuzunglücklich und schwankte zwischen versenken oder verkaufen.
Auf Mallorca wollte niemand das Schiff auch nur ansehen, und so brachte ich den Eigner auf die Idee, das Schiff nach Frankfurt zu fahren und es dort an einen der Bootsbastler zu verkaufen, die ihr halbes Leben von der großen Weltumsegelung träumen, dann aber niemals aus dem Hafen kommen. Für solche könnte das rotte Schiff eine Aufgabe für viele Jahre sein, denn eigentlich war es ein schöner Langkieler, der ehemals für Weltreisen gebaut und geeignet war.
Natürlich wollte ich den Seelenverkäufer nicht über den Atlantik und durch die herbstliche Biscaya nach Deutschland fahren. Ich hatte mich über die französischen und deutschen Binnengewässer erkundigt und herausgefunden, daß ich mit dem Tiefgang gerade noch zurecht käme, um vom französischen Mittelmeerhafen Sète durch die Camargue, dann auf der Rhone und von Lyon über den Rhein-Rhone-Kanal nach Breisach am Rhein zu kommen. Von da aus war es auf dem Rhein und Main nur noch ein kurzer Weg - allerdings ohne Rheinschifferpatent! - nach Frankfurt, wo der Eigner zu Hause war.
Gesagt, getan, und die nötige Crew fand sich auch immer irgendwie - einem Fall waren es sogar ein luxemburgischer Dieb und ein sibirischer Philologe, mit denen ich aber prima auskam.
Mein wesentliches Problem war, daß ich mit meiner Kleidung für die Karibik nicht darauf vorbereitet war, durch herbstliche Nebelschwaden auf einem Kanal das Elsaß zu überqueren. Aber ein fester Overall und ein paar warme Socken, eine Wollmütze und gute Handschuhe halfen über diese Hürde.
Nach der Ankunft in Frankfurt Mitte November hatte ich im Sinn, nach beinahe fünf Jahren, die ich auf Reisen zu Lande und hauptsächlich weltweit auf dem Wasser verbracht hatte, zu prüfen, ob ich mich wieder in Deutschland niederlassen und einen Winter überstehen wollte. Ich hatte wieder mein Wohnmobil bezogen, aber das Wetter gefiel mir schon gleich gar nicht. Auch das politische und gesellschaftliche Klima empfand ich eher als bedrückend.
Letzteres fand ich dann in den Nachrichten vom 23. November bestätigt. Neonazis hatten in Mölln in zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser Brandflaschen geworfen. Bei den Bränden kamen drei Personen ums Leben. Siehe die Links am Schluß. Ich war geschockt und empört und entschloß mich spontan, nach Mölln zu fahren und bei Aufräumungsarbeiten zu helfen, um wenigstens mein winziges Zeichen zu setzen.
So wie ich hatten noch mehr Leute gedacht, und wir waren etwa zwölf Personen aller Altersgruppen, die sich ungefähr eine Woche lang daran beteiligten, den Schutt zu beseitigen und daraus noch das wenige Brauchbare für die Familie Arslan herauszuklauben.
Diese Erfahrung hat dazu beigetragen, daß ich mich in Deutschland gar nicht mehr einleben mochte. Als sich im Februar 1993 die Gelegenheit ergab, zusammen mit einem Bekannten für ein paar Wochen nach Costa Rica zu fliegen, griff ich gerne zu. Aus den paar Wochen wurden drei komplette Monate, und als ich wegen des ablaufenden Visums aus Costa Rica abreiste, hatte ich mir dort - eher zufällig - ein Stück Land nicht weit von der Pazifikküste angelacht, auf dem ich heute noch zeitweise lebe.
Seither habe ich Umtriebe in der rechten Szene in Deutschland und unter den Neonazis aufmerksam verfolgt. Deren Auftreten wurde über die Jahre immer dreister und aggresiver bis hin zu diesem Jahr. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat eine Partei in den Bundestag getragen, die keine Skrupel hat, ihren Nationallismus mit Rassismus, ihre Fremdenfeindlichkeit und ihren Antisemitismus und Judenhass offen zur Schau zu tragen. Das fürchterlichste dabei ist, daß rund ein Achtel aller Wähler dieser Partei ihre Stimme gegeben haben, obwohl es kaum mehr als 70 Jahre her ist, daß eine solche Ideologie die ganze Welt in einen Abgrund blicken ließ.
http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/jahrestag-moelln-101.html
http://t.ln-online.de/Lokales/Lauenburg/Versoehnliches-Gedenken-in-Moelln
http://www.islamiq.de/2017/11/21/moelln-wird-an-brandanschlag-erinnern/
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