Danach, und ohne Absicht, stolperte ich immer wieder über Zeugnisse jüdischen Lebens und Sterbens in Mitteleuropa.
![]() |
Alter Judenfriedhof in Eisenstadt |
Später auf meiner Reise wurde ich in Regensburg wieder auf das Schicksal von Juden aufmerksam. Im Rahmen einer Multimediapräsentation aus Anlaß der Aufnahme der Stadt in die Welterbeliste der UNESCO wurde von der Umgestaltung eines Viertels im Herzen der Altstadt berichtet, nachdem dort im Jahr 1520 das Judenviertel abgerissen worden war. Einfach so, ohne weitere Erläuterung, wurde vom Bau einer Kirche berichtet, ohne in der Präsentation zu erwähnen, daß die Neupfarrkirche der Stadt genau am Platz der ehemaligen Synagoge errichtet wurde. Ich nahm mir vor, später Informationen zu dem Thema zu suchen. Zunächst hatte ich meinen Rundgang durch Regensburg fortgesetzt und stand bald darauf vor einem interessanten modernen Bodenrelief aus weißem Beton, gleich neben der Neupfarrkirche. - Lange nach meinem Stadtrundgang fand ich bei meiner Nachforschung zum Verbleib der Regensburger Juden heraus, daß hier eine der damals größten jüdischen Gemeinden im Reich gelebt hatte. Bei einem Pogrom im Jahr 1519 wurden etwa 300 Juden umgebracht, die anderen wurden vertrieben. Ihr Stadtviertel samt der Synagoge wurde völlig zerstört, ebenso der jüdische Friedhof. Als ich bereits weitergereist war, lernte ich, daß das erwähnte Bodenrelief genau die Fundamente der ehemaligen Synagoge darstellt. Hätte ich das früher gewußt, hätte ich sicher ein Foto davon gemacht...
Danach, auf meiner nächsten Station am 31. August in Bayreuth, bedurfte es keines besonderen Hinweises, um mich auf die Haltung des Komponisten Wagner zu den Juden und die Verquickung des Wagnerschen Familienbetriebs der Bayreuther Festspiele mit dem Nationalsozialismus aufmerksam zu machen. Die Ausstellung über die Vertreibung der Juden aus dem Opernbetrieb vor und während des Dritten Reiches direkt im Park vor dem Festspielhaus beschreibt ausführlich den kläglichen Rassismus im deutschen Kulturbetrieb des 19. und 20. Jahrhunderts.
Wer seinen Rundgang durch die historische Altstadt von Leipzig etwas über den allerinnersten Zirkel um Nikolaikirche, Gewandhaus und Thomaskirche ausdehnt, prallt beinahe auf eine Betonmauer, die zur Erinnerung an das Schicksal von 14000 jüdischen Leipziger Bürgern während des Nationalsozialismus errichtet wurde. So passierte es mir, als ich ahnungslos die Gottschedstaße entlang schlenderte und an die Ecke Zentralstraße gelangte. Auf dem Platz, der nach der Zerstörung der Synagoge in Folge der Pogrome des 9. November 1938 frei geblieben war, erinnern heute leere Stuhlreihen daran, wie die Sitzordnung in dem jüdischen Gotteshaus ausgesehen haben könnte. Auch diesen Ort hatte ich nicht gesucht, und er hat mich dennoch gefunden.
![]() |
Leipzig |
Immer wieder treffe ich inzwischen auf Hinweise und Bezüge zum Judentum.
Zu welchen wahnsinnigen und verrückten Auswüchsen der Antisemitismus der Nazis fähig war, will ich mit folgender Begebenheit erzählen. Auf der Autobahn A9 zwischen Nürnberg und Leipzig gibt es kurz vor dem Hermsdorfer Kreuz eine Autobahnanschlußstelle mit Namen Lederhose. Nachdem ich diese Stelle staunend und lachend passiert hatte, ging ich am gleichen Tag noch der Ursache für diesen lustigen Namen nach. Die Erklärung und ein paar Anekdoten dazu finden sich im Internet. Die Suche mit diesem Stichwort förderte aber auch den Link zum Wikipedia-Artikel über Lederhosen zu Tage. Und in dem Artikel fand ich dann erstens die erstaunliche Information, daß Lederhosen keineswegs ein historischer Bestandteil der traditionellen bayerischen Tracht sind, und zweitens daß die Nazis im Jahr 1938 den Juden das öffentliche Tragen von Lederhosen verboten haben. Dazu fällt mir nichts mehr ein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen