Donnerstag, 17. August 2017

Über die dunkle Seite des Tourismus

Venedig, Florenz, Prag, Rothenburg, Rüdesheim, Dürnstein, Mont St. Michel, Salzburg,  - alle diese Orte und noch viele mehr haben eine Krankheit gemein (um nicht zu sagen die Pest), zu deren Ursache auch ich gehöre. Wo immer Touristen auftauchen, hinterlassen sie einen Ort verändert. Treten die auswärtigen Gäste in großer Zahl im Verhältnis zur angestammten Bevölkerung auf, können sie einen Ort bis zur Unkenntlichkeit umkrempeln. Aus einem funktionierenden landestypischen sozialen Organismus kann ein Markplatz zum Abkassieren von Reisenden werden.

Solch einen Fall habe ich jüngst mit einiger Traurigkeit besucht und erlebt:


Český Krumlov oder mit ihrem deutschen Namen Krumau oder auch Böhmisch Krumau ist eine reizvolle Kleinstadt im tschechischen Südböhmen. Der kleine Ort hat alles, was ein attraktives touristisches Ziel ausmacht, womöglich zu viel davon. Die historische Altstadt fügt sich auf reizvolle Weise in eine Flussschleife der Moldau. Der Ort verfügt über alle Attribute, die zu einem Besuch reizen: eine Burg, ein Schloss, Kirchen, Museen, enge romantische Gassen zwischen alten Häusern, einen ansehnlichen Marktplatz. Das alles hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert und sogar noch früher, und ist bis heute nahezu unverändert erhalten. Das alles hat sich weltweit herumgesprochen.

Heute ist die Stadt von Menschenmassen bevölkert, die von überall herkommen, am wenigsten aber aus Krumau. Die Trauben von Touristen, die sich aus den Bussen ergießen, palavern in allen Weltsprachen, und die meisten davon in asiatischen Idiomen. Dementsprechend hat sich die Wirtschaft des Ortes auf die Besucher eingerichtet: unzählige Restaurants reihen sich an noch mehr Andenkenläden, Juweliergeschäfte bieten landestypische Produkte ebenso an wie Keramikläden und Kunsthandlungen. Der Rest der Häuser ist von Hotels und Pensionen belegt.

Die Stadt hat ihren alten und ursprünglichenn Charakter ganz und gar eingebüßt. Das gewöhnliche Alltagsleben einer Kleinstadt gibt es nicht mehr. Wollte ein Krumauer heute ein Päckchen Butter oder einen Hammer und Nägel kaufen, muß er vermutlich hinaus an den Stadtrand gehen.

Sogar Einheimische beginnen schon über die Flutwelle von Touristen zu klagen, die sich über ihren Ort ergießt. Ich hörte, wie sich eine junge Serviererin in einem Restaurant bei englischen Gästen über die Menge von asiatischen Gästen beklagte. Daß am Nebentisch ein vermutlich japanisches Paar zuhören konnte, schien die junge Frau nicht zu beunruhigen. Darauf angesprochen sagte die Bedienung zu mir, daß die Asiaten sowieso selten Englisch verstünden, und versicherte obendrein, sie sei keine Rassistin.

Als kleinen Schabernack habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten in Geschäften und Restaurants die Bemerkung hinterlassen, die Chinesen kämen ohnehin nur, um alles zu fotografieren und dann daheim eine Kopie von Krumau zu bauen. Für gänzlich undenkbar halte ich das tatsächlich nicht, so begeistert wie sich die Besucher aus dem fernen Osten zeigen. Die inzwischen offenbar zu einigem Wohlstand gekommenen Bürger aus dem Reich der Mitte schicken inzwischen sogar schon ihre Kinder auf Touren durch Europa, damit sie den alten Kontinent kennen lernen. Wohin diese Mädchen und Jungen in ein paar Jahren noch reisen möchten, ist nicht so recht vorstellbar. Sie kennen doch schon beinahe alles.

Kindergruppe aus Shanghai, zum Foto aufgestellt auf dem Marktplatz von Český Krumlov

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