Montag, 7. August 2017

Unfromme Gedanken beim Andechser Doppelbock

Eines der berühmtesten Ziele für Wallfahrten in Bayern ist das Kloster Andechs. Die wenigsten Besucher kommen für religiöse Einkehr oder um den "Heiligen Schatz" zu verehren. Vielmehr hat das Andechser Bier einen ausgezeichneten Ruf und es kommt in seiner Version als Doppelbock mit einer berauschenden Wirkung, die religiöser Ekstase womöglich schon nahe ist. Von der jährlichen Produktion von weit über 100.000 Hektoliter Bier aus der klostereigenen Brauerei werden rund fünf Prozent in der Klosterschenke an die Pilger zum "Heiligen Berg Bayerns" ausgeschenkt.

Das Kloster Andechs auf der Ostseite des Ammersees ist heute ein bedeutendes Wirtschaftsunternehmen, das seinen Ursprung in einer Burgkapelle hat, zu der bereits seit 1128 Wallfahrten bekannt sind. Der Historie zufolge hatte Graf Hasso von Andechs-Meranien im 10. Jahrhundert aus Jesrusalem Reliquien mitgebracht, zu denen Partikel vom Kreuz Jesu, ein Stück aus seiner Dornenkrone, ein Teil des Gürtels Mariens und das Tuch gehört, in das die Gottesmutter nach ihrem Tod gehüllt war. Zusammen mit dem "Siegeskreuz Karls des Großen" bildeten diese Objekte den Grundstock für den "Heiligen Schatz".
Und es wird auch davon berichtet, daß ein Teil des Schatzes das "Sanctum praeputium", die Vorhaut Jesu gewesen sei.

Wie es scheint, war Graf Hasso (+954) ein besonders (gut-)gläubiger Genosse seiner Zeit, der sich auf den Basaren im Heiligen Land allerhand Tand aufschwatzen ließ. Dennoch sollte sich die Investition zweihundert Jahre später als rentabler Grundstock für ein heute florierendes Glaubens-Unternehmen erweisen.

Unzweifelhaft war der Knabe Jesus ein Jude, und vermutlich wurde er am achten Tag seines Lebens beschnitten. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Vorhaut des Pflegesohns eines armen Zimmermanns nach der Beschneidung nicht in der Erde verscharrt, sondern entgegen den jüdischen Regeln in Öl eingelegt und aufbewahrt wurde, dürfte sehr gering sein. Daran darf glauben wer will.

Nach Auffassung der katholischen Kirche ist Jesus mit seinem Körper "in einem Stück" zum Himmel aufgefahren. Von seinem Leib könnten auf der Erde also nur die Nabelschnur, seine Milchzähne, abgeschnittene Finger- und Zehennägel, sowie die bei der Beschneidung abgetrennte Vorhaut übrig geblieben sein. All diese Objekte wären Reliquien "erster Qualität", wenn sie denn existierten und ihre Echtheit zu beweisen wäre. Hilfsweise genügt auch, an die Echtheit zu glauben.

Solchen Glauben machten sich zeitweise mehr als vierzig Orte vornehmlich in Europa zu Nutze, unter ihnen Andechs und Hildesheim, die von sich behaupteten, die Vorhaut Jesu oder zumindest Teile davon aufzubewahren. Besonders überzeugend gelang das im zwölften Jahrhundert Antwerpen und Rom, die in erbitterter Konkurrenz um die Echtheit des Zipfels des Herrn stritten.

In der Folge mannigfaltiger Kriegswirren, der Reformation und der Französischen Revolution verlieren sich die Spuren der heiligen Vorhaut. Auch in Andechs wurde seit dem Mittelalter nicht mehr von dieser allerheiligsten aller Reliquien gesprochen.

Einzig das römische Exemplar scheint Spuren bis in das 20. Jahrhundert hinterlassen zu haben. Nach dieser Version soll das "Ringlein" mit seinem Reliquiar im Jahr 1527 nach der Erstürmung Roms mit einem deutschen Legionär in die kleine italienische Stadt Calcata gekommen sein. Seither wurde es in der Pfarrkirche des Ortes aufbewahrt und bis 1983 bei öffentlichen Prozessionen gezeigt. Im gleichen Jahr verschwand die Reliquie unter ungeklärten Umständen.

Es ranken sich verschiedene Theorien um das Verschwinden. Es wird sogar angenommen, der Vatikan selbst habe sich des inzwischen als unzeitgemäß angesehenen Objekts der Verehrung entledigen wollen.

Bei der Durchsicht verschiedener Publikationen zu diesem Thema stieß ich auf zwei besonders interessante Veröffentlichungen:

Der eine Autor erwähnt die Möglichkeit, die katholische Kirche wollte angesichts der rasanten Entwicklung der Biotechnologie die Gefahr beseitigen, daß Wissenschaftler eines Tages versuchen könnten, DNA aus dem Hautschnipsel zu isolieren und damit die Familienzugehörigkeit des Erlösers bis in die Gegenwart zu verfolgen, oder gar den Versuch wagen könnten, Jesus Christus zu klonen. Tatsächlich könnten beide Möglichkeiten katastrophale Folgen für das Christentum haben, gleich ob die Reliquie nun echt wäre oder nicht.

Der andere Autor hat das Verschwinden des heiligen Präputium als Satiriker verarbeitet. Nach seiner Version hat jemand den vertrockneten Schnipsel bei ebay erstanden, um ihn seiner religiösen Mutter zu Ostern zu schenken. Wie die Geschichte ausgeht, will ich hier nicht vorwegnehmen. Lest selbst:
http://www.satire-clips.de/reliquien-die-heilige-vorhaut/1037/


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