Montag, 26. Februar 2018

Links blinken und rechts fahren, - oder: Sin riesgo no hay diversión

Es sind nun schon einige Jahre, daß ich auf den Straßen von Costa Rica fahre. An die meisten Merkwürdigkeiten und (Un-)Sitten habe ich mich auch schon beinahe gewöhnt. Einige davon habe ich sogar schon selbst übernommen, ganz einfach um auch voran zu kommen. Ich richte mich meist schon nicht mehr nach Geschwindigkeitsbegrenzungen (und bin in 25 Jahren erst einmal erwischt worden), und ich überhole notorische Linksfahrer rechts, wo es zwei Fahrspuren in der gleichen Richtung gibt.

Was mir immer noch gegen den Strich geht ist das Kolonnenspringen. Die Schlange hinter einem langsamen Schwertransport kann unendlich lang sein, es gibt immer wieder Unvernünftige, die sich mit den waghalsigsten Manövern in der Schlange nach vorne zu arbeiten versuchen. Überhaupt ist Waghalsigkeit eines der hervorstechendsten Merkmale der Fahrer in diesem Land.

Vielen steckt außerdem eine angeborene Fähigkeit zum Hellsehen im Blut, die es erlaubt, auch noch in den unübersichtlichsten Kurven zu überholen. Wobei die meisten sogar mit heiler Haut und heilem Blech davonkommen. Wenn es aber kracht, dann oft auch heftig. Tagtäglich ist in der Zeitung von einer "Invasion der entgegengesetzten Fahrspur" zu lesen (invasión del carril contrario), und bei Personenwagen ist die Zerstörung dann zuweilen so komplett, daß nicht einmal mehr die Marke des früheren Automobils zu erkennen ist.

Das alles ist hier Alltag, und ich habe mich daran gewöhnt. Die halbwegs sichere Strategie für die Fortbewegung auf den Straßen des Landes heißt defensives Fahren, und auch das möglichst nur bei Tageslicht.

Woran ich mich nie so recht gewöhnen werde, ist die in meinen Augen höchst unsinnige Gewohnheit, wie Lastwagenfahrer nachfolgenden Fahrern signalisieren, daß ihr langsamerer Truck jetzt überholt werden kann: sie blinken LINKS! Was für einen mitteleuropäischen Fahrer bedeutet, daß der Trucker jetzt selbst ausscheren und überholen oder womöglich sogar links abbiegen will, das wird hier als der freundlich gemeinte Hinweis verwendet, an dem Truck vorbeizuziehen. Manchmal allerdings will der Trucker tatsächlich links abbiegen oder überholen, aber das lernt man dann erst im letzten Moment - oder doch nicht mehr rechtzeitig...

Würden die Trucker stattdessen rechts blinken, bedeutete das für einen Überholer wesentlich mehr Sicherheit und weniger Zweifel: entweder wäre es das freundliche Signal zum Überholen, oder der Truck wird rechts abbiegen oder einfach nur anhalten, jedenfalls nicht dem Überholer in die Quere kommen.

Ich vertraue den freundlich gemeinten Gesten der Chauffeure auf ihren Ungetümen aus den vorgenannten Gründen meist nicht und halte mich vorsichtig im Hintergrund. Den klassischen Fall von Zweifel an den Blinkzeichen erlebte ich dieser Tage:

Ein Tieflader mit einer riesigen Straßenbaumaschine quälte sich langsam über eine schmale kurvenreiche Landstraße. Ich fuhr direkt dahinter. Am Ausgang einer Kurve wurde der linke Blinker gesetzt. Da ich die Gegend aber gut kenne, wußte ich, daß gleich eine Abzweigung nach links kommt, und daß die Schotterstraße nach dieser Abzweigung gut den Einsatz einer Planiermaschine vertragen könnte. Also versuchte ich nicht einmal einen Blick an dem Schwertransport vorbei nach vorne. Das sahen die fünf oder sechs Fahrer der Fahrzeuge hinter mir natürlich ganz anders und überholten forsch. Es stellte sich dann heraus, daß der Tieflader tatsächlich langsamer geworden war, um das Überholen zu ermöglichen. Der mißtrauische Ausländer folgte dann als letzter...
Hier gibt es mindestens drei Merkmale, um eher nicht zu überholen: eine Abzweigung ist angekündigt, der Schwertransport blinkt links, und der doppelte gelbe Streifen in der Fahrbahnmitte darf sowieso nicht überfahren werden, eigentlich... 




Aus dem Bericht bis hier läßt sich wohl schon erahnen, wie schwierig es sein kann, wenn man mit seinem Personenwagen tatsächlich nach links von einer Landstraße abbiegen will. Man ordnet sich ziemlich zur Straßenmitte hin ein, setzt den Blinker, kurbelt die Scheibe herunter und winkt mit dem linken Arm, wenn es ginge würde man auch noch die Zunge nach links aus dem Fenster hängen lassen. Der Fahrer direkt hinter einem versteht vermutlich das Manöver, möglicherweise auch noch ein weiterer dahinter. Aber der vierte in Reihe könnte die Verlangsamung mißverstehen und zum Überholen ansetzen (siehe Kolonnenspringer). Genau das ist mir schon mindestens zweimal passiert. Das erste Mal hatte ich Glück und war schon knapp von der Hauptfahrbahn herunter, als der Überholer beinahe noch meine Heckstoßstange streifte. Das andere Mal mußte die Überholerin mit ihrem Cuatrociclo (besser wohl als Quad bekannt) halsbrecherisch halb durch den Straßengraben ausweichen, um mir nicht mit voller Wucht in die Seite zu fahren. - Linksabbiegen macht man hier am besten, wenn niemand hinter einem fährt.

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