Sonntag, 1. April 2018

Kreuze III - Religiöser Furor gegen politische Vernunft

Die Sache mit der Kreuzigung in der Semana Santa ist erledigt. Nun erwartet die Republik Costa Rica am heutigen Ostersonntag ein Kreuz von seinen wahlberechtigten Bürgern. 

Ausgerechnet an diesem hohen kirchlichen Feier- und dem verlockenden Strandtag sollen sie den künftigen Präsidenten der Republik bestimmen. Die Verfassung des Landes schreibt vor, daß der erste Wahlgang jeweils am ersten Sonntag im Februar stattfindet. Geht aus diesem Wahlgang kein Kadidat mit einer Mehrheit von mindestens 40 Prozent hervor, so wie in diesem Jahr, müssen sich die beiden Präsidenten-Kandidaten mit der größten Stimmenzahl am ersten Sonntag im April zur Stichwahl stellen.

Seit dem ersten Wahlgang im Februar ist allerdings schon klar, daß der neue Präsident mit erstem Familiennamen Alvarado heißen wird. Jetzt muß nur noch herausgefunden werden, ob es Gerardo Fabricio Alvarado Muñoz oder Carlos Andrés Alvarado Quesada sein wird, der am 8. Mai die Präsidentschaft des Landes antritt. Die beiden sind aus ingesamt 13 Präsidentschaftskandidaten als die beiden Sieger hervorgegangen.

Ein pikanter Aspekt, der wahlentscheidend sein könnte, begleitet diese Wahl an einem hohen kirchlichen Feiertag. Während Carlos Alvarado der Partido Acción Ciudadano (PAC) angehört, die als gemäßigt sozialdemokratisch angesehen wird und die auch die gegenwärtige, eher erfolglose Regierung stellt, gehört Fabricio Alvarado der Gruppe Renovacion Nacional (RN) an. Die RN ist ein Zusammenschluß Evangelikaler, der bis zu den jüngsten Wahlen eigentlich kaum eine Rolle in der Politik des Landes spielte. Die Gruppe hatte bisher einen einzigen Abgeordneten im Parlament, nämlich den jetzigen Präsidentschaftskandidaten Fabricio Alvarado, der als talentierter Redner und Verfechter ultrakonservativer christlicher Standpunkte hervorgetreten ist. Die fortschrittliche Haltung der Regierungspartei PAC in Genderfragen, zur gleichgeschlechtlichen Ehe und zum Abtreibungsrecht hat bewirkt, daß auch die konservative katholische Landbevölkerung eher dem Prediger Fabricio Alvarado zuneigt. Vor die Wahl gestellt, lassen sich vermutlich auch konservative Katholiken lieber von einem Christen als von einem Sozialisten regieren, sogar wenn der Christ ein evangelischer ist. In der Presse des Landes wird außerdem von 3600 christlich-protestantischen Kirchen gesprochen, die Fabricio Alvarado unterstützen.

Nachdem durchgesickert war, daß sich Fabricio Alvarado in einem geheimen Treffen mit evangelischen Pastoren zwecks Unterstützung in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen getroffen haben soll, gingen bei der Obersten Wahlbehörde des Landes (TSE) etliche Anzeigen wegen der Einmischung religiöser Gruppen in den Wahlkampf ein. Gleichzeitig erklärte der katholische Klerus des Landes eilig, daß sich die Religion nicht in die Politik einzumischen habe. Welchen Effekt diese Anstrengungen und Erklärungen auf den Inhalt der sonntäglichen Predigten in den Kirchen und auf die Stimmabgabe haben werden, bleibt abzuwarten. Trotz der Bürde, die Carlos Alvarado als Kandidat der PAC und wegen seiner früheren Beteiligung als Arbeitsminister im Kabinett des erfolglosen Noch-Präsidenten Solís im Wahlkampf herumschleppen mußte, und trotz der breiten Unterstützung für den frommen Christen Fabricio Alvarado deuteten die letzten Wahlumfragen auf einen ungefähren Gleichstand für die beiden in der Wählergunst hin, bei etwa 15 Prozent noch unentschiedener Wähler.

Semana Santa am Pazifikstrand

Nun kommt es womöglich auf die Wahlbeteiligung an. Die Prognosen dafür sind eher mau. Für die meisten Costarikaner sind die freien Tage der Karwoche und die Schulferien eine willkommene Gelegenheit, einige Tage am Strand zu verbringen. In diesem Jahr sind sie aufgefordert, das Strandvergnügen etwas eher zu beenden um ihrer Bürgerpflicht zu genügen. Sie haben sich zwischen Strandbar oder Wahllokal zu entscheiden, für Wählen oder Wellen. Die Frage, wer ihr Land in den nächsten vier Jahren regieren soll, erscheint dabei schon beinahe nebensächlich. Entsprechend engagiert wird auch die Wahlbeteiligung erwartet.

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