Dienstag, 30. Mai 2017

Thüringisch - "dem Volk aufs Maul geschaut"

Thüringen rühmt sich, in seinem Freistaat würden neun verschiedene Hauptgruppen des Thüringer Dialekts gesprochen, nicht zu reden von den den vielen Unterfärbungen je nach Ortslage, Flußtal oder Höhenzug. Die meisten dieser mundartlichen Färbungen kann ich verstehen, wenn ich sie auch nicht leicht vom Sächsischen und dessen vielen Varianten unterscheiden kann. Ich wurde schon gewarnt: Eine solche Verwechslung allein kann schon Grund sein, sich bei einem thüringischen Lokalpatrioten als Banause zu outen und als Gesprächspartner zu disqualifizieren. Ähnliches könnte umgekehrt auch in Sachsen passieren.
Volkstum in Thüringen:  sonntäglicher Chorausflug auf den Gothaer Boxberg
Ich glaube von mir, ein ziemlich sauberes Hochdeutsch zu sprechen, mit nur wenig landschaftlicher Einfärbung aus Norddeutschland. Wie kann es aber sein, daß wir "Hochdeutschen" glauben, Hochdeutsch zu sprechen, wenn doch wesentliche Grundlagen unserer Sprache in Thüringen entstanden sind. Luther war Thüringer und hat in Thüringen die Bibel übersetzt, und sich damit um einen einheitlichen Gebrauch der deutschen Sprache verdient gemacht.  Dabei will er "dem Volk aufs Maul geschaut" haben. Wie kann das ohne thüringische Einflüsse gegangen sein, wenn dieses Volk in und um Eisenach lebte?

Danach war Thüringen auch das Land Goethes und Schillers. Selbst wenn Goethe behauptete, unter der thüringischen Mundart zu leiden, sollte wirklich nichts davon in seine Werke eingeflossen sein? Zum Glück gibt es aus der Zeit keine Tonaufnahmen, sonst würden wir uns vermutlich wundern, wie stark und fremd uns die Dialekte heute klängen, verglichen mit den heute gesprochenen Mundarten.

Gleich ob Thüringisch oder Sächsisch: Sehr lange war diese Dialektfamilie in Westdeutschland auch Synomym für den offiziellen Ton des Politsprechs, der aus der DDR zu hören war. Angefangen hatte das vermutlich mit Walter Ulbricht, einem waschechten Sachsen aus Leipzig. Später wurde der Zungenschlag so sehr Ton des und der Deutschen aus Mitteldeutschland, daß ich mich schließlich bei meinem ersten Besuch in Rostock wunderte, wie die Leute dort sprachen. Die hätte man wegen ihres Dialekts in Lübeck oder Hamburg nur schwer erkannt.

Wie es scheint, sind Mecklenburger für mich Bundesdeutschen in den 40 Jahren der deutschen Trennung nur wenig öffentlich in Erscheinung getreten, sonst hätte ich früher wissen können, daß man im Norden der inzwischen neuen Bundesländer nicht sächselt oder thüringischt.

Sonntag, 28. Mai 2017

Himmelfahrt in Thüringen

An einem freundlichen Frühlingstag durch seinen schönen Freistaat zu wandern, das darf einem Thüringer schon beinahe himmlisch erscheinen. Wenn der Tag dann auch noch Himmelfahrt heißt, die Reise in die Natur dem Brauch an diesem Tag entsprechend von einiger alkoholischer Stärkung begleitet ist und dem Wanderer aus jedem Dorf der Duft der fertigen Thüringer Rostbratwurst entgegen weht, dann muß sich jeder Thüringer - und auch jeder Gast in diesem schönen Land - bereits wie im Himmel fühlen. Was gibt es besseres, als nach ausreichender Bewegung eine Rostbratwurst oder ein Brätel zu genießen, dazu ein kühles Bier?

Setzt der Wanderer dann seinen Weg fort, kann es ihm passieren, in einem kleinen Dorf namens Niederroßla, mitten drin, einem Elefanten zu begegnen. Zwar ist der nicht sehr groß, nur aus Stein und auf einen Sockel gestellt, aber was macht ein Elefantendenkmal in Thüringen? Mancheiner könnte da zweifeln, ob er schon zu viel alkoholische Wegzehrung genossen hat, zumal wenn hinter dem einen Elefanten auch noch zwei weitere im Bild erscheinen.

Die Thüringer haben offenbar ihre ganz eigene Art von Humor. Besonders gut ist das in Niederroßla im Weimarer Land dokumentiert. Der kleine Ort wird im Volksmund auch als "Kitzelbach" verspottet.
Der Ursprung für den Spott und das bemerkenswerte Denkmal liegt in einem Ereignis, das sich im Februar 1857 begeben haben soll.

Zu der Zeit gastierte eine Menagerie in Niederroßla, die auch einen Elefanten mitführte und den gegen Geld zur Schau stellte. Zwischen den Vorführungen war der Elefant, eine indische Elefantenkuh namens Miss Baba, im Stall eines Bauernhofes einquartiert. Dort gelangte Miss Baba an einen nicht für sie bestimmten Vorrat an Runkelrüben, von dem sie fraß. Dieser Rüsselraub trug der Elefantendame schwere Koliken ein, die es ihr beinahe unmöglich machten, mitzumarschieren, als ihre Eigentümer zum nächsten Dorf weiterziehen wollten. Kurz vor der Ortsgrenze von Niederroßla, so wird erzählt, brach die Elefantin zusammen. Die Dorfbewohner befürchteten, das große Tier könnte auf ihrer Seite der Dorfgrenze verenden und dem Dorf Kosten für die Beseitigung des Kadavers oder gar noch Schadenersatzansprüche des Besitzers verursachen. Daher versuchten sie mit Stöcken und Stangen, das Tier zu bewegen, wenigstens auf die andere Seite der Dorfgrenze zu gehen. Bei dieser Aktion waren die Mitglieder des Gesangvereins besonders eifrig, denn diese kamen wohl etwas angetrunken von einem Singabend, und außerdem war auch noch Fastnachtszeit.

Aller Bemühungen zum Trotz verendete die Elefantin auf dieser Seite der Grenze. Es gab einen großen Streit, bei dem sich die Männer vom Gesangverein vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen mußten, das Tier wäre wegen der Mißhandlung mit Stangen zu Tode gekommen. Die Sangesbrüder wehrten sich mit der Behauptung, sie hätten das Tier doch nur gekitzelt und keineswegs mißhandelt. So hatte der Ort dann den Namen Kitzelbach weg, die Universität Jena bekam das Skelett des Elefanten, und die Haut diente dem Naturkundemuseum Gotha zur Anfertigung eines ansehnlich großen Präparats.

Im Jahr 1957, hundert Jahre nach dem denkwürdigen Vorfall, wurde dem Tier das Denkmal im Ort gesetzt, und alle 25 Jahre feiern die Kitzelbacher in Niederroßlau ein großes Elefantenfest, das nächste im Jahr 2032.

Noch mehr kuriose und unglaubliche Details dieser Geschichte sind in der deutschen Wikipedia unter dem Stichwort Miss Baba verzeichnet. Allein die Erwähnung von Stoßzähnen in dem Wikipedia-Artikel lassen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der ganzen Geschichte auftauchen: nach Berichten von Elefantenexperten haben indische Elefantenkühe keine Stoßzähne. Das soll aber kein Argument gegen thüringischen Humor sein, der an der Gestaltung des Artikels wohl maßgeblich beteiligt war.

Montag, 22. Mai 2017

Friedliche Koexistenz

Beim Ausbau eines Radwegenetzes in der Stadt liegt Dresden im Vergleich zu anderen Großstädten noch etwas zurück. Mir ist in der Stadt aufgefallen und es hat mich erstaunt, wie friedlich und rücksichtsvoll Fußgänger und Radfahrer miteinander umgehen.
Auf beinahe allen Fußwegen ist auch das Radfahren erlaubt. Wie es scheint, haben sich die Fußgänger darauf eingestellt und sich daran gewöhnt, und auch die Radfahrer verhalten sich auffallend rücksichtsvoll, beinahe sogar zurückhaltend, wenn sie sich auf einem viel begangenen Fußweg bewegen.

Sonntag, 21. Mai 2017

Oh Dixieland, wie bist du in die Jahre gekommen!

... und ich mit ihm.

Zuweilen bekommt man diese Selbstverständlichkeit so drastisch vor Augen geführt, daß man erschrickt. So, wie es mir jüngst erging:

47. Internationales Dixieland-Festival in Dresden, eines der großen Eröffnungskonzerte, drei Bands aus drei Ländern. Schon in der Warteschlange am Eingang zur Konzerthalle wunderte ich mich über all "die alten Leute", die mit mir in der Schlange warteten. Dazu muß ich erwähnen, daß viele Mitmenschen mich inzwischen auch zu dieser Gruppe rechnen, die etwas verziert auch "Senioren" genannt wird. Nur ich selbst teile diese Auffassung noch nicht ganz.

Dixie-Publikum
Ich wundere mich also noch über die Gesellschaft, in der ich mich wiederfinde, frage mich, ob es nur die "Alten" sind, die so übermäßig früh erscheinen, und ob die Jüngeren erst im letzten Moment erscheinen. Schließlich sind die Eintrittskarten - übrigens keineswegs billige - für nummerierte Plätze verkauft und der Platz ist gesichert.
Wie der angekündigte Beginn des Konzertes immer näher rückt, steigert sich meine Verwunderung in Verblüffung. Nach meiner Schätzung sind nicht zehn Prozent der Besucher unter 50 Jahre alt, dafür aber deutlich mehr als die Hälfte schon lange im Rentenalter und darüber. So hatte ich mir die Freunde der Dixieland-Musik nicht vorgestellt.

Es ist weit über vierzig Jahre her, daß ich an der lockeren fröhlichen Form des Dixieland-Jazz Gefallen fand. Das war in Hannover, wo es eine lebhafte Szene für dieses Musik-Genre und einen Jazzclub gab. Die Lokalmatadoren waren damals die Gruppe "Happy Jazz & Co.". In die gleiche Zeit fällt wohl auch etwa die Endphase des Dixieland-Revivals, das von England herübergekommen war und mit Namen wie Chris Barber, Acker Bilk und der Dutch Swing College Band verbunden ist.

Seit meiner Zeit in Hannover hatte ich weniger direkten Kontakt mit einer lebendigen Dixieland-Szene, und seit rund 25 Jahren in Lateinamerika gar keinen mehr. Was ich in diesen vielen Jahren hörte waren Konserven, und zwar meist die alten Original-Aufnahmen der Klassiker dieser Musikrichtung. Davon ist meine Erinnerung und mein Musikgeschmack geprägt.

Dixie-Fan aus Hamburg
in Dresden
Das Dixieland-Festival in Dresden erlebte in diesem Jahr seine 47. Auflage. Es war also nur wenige Jahre, bevor ich Geschmack an der Dixieland-Musik fand, als eine Gruppe Jazz-Begeisterter in der DDR unter den damaligen sozialistischen Bedingungen eine Veranstaltung versuchte, aus der sich das inzwischen größte Dixieland-Festival in Europa entwickelte. Und es ist nicht zu übersehen: viele der damaligen Vorreiter dieser Bewegung sind ihrer Musik treu geblieben und bilden heute immer noch den harten Kern der Festival-Besucher.

Es ist aber auch nicht zu übersehen, daß der vor rund hundert Jahren "erfundene" Dixieland in die Jahre gekommen ist. Bei den Jüngeren kommt dieser Oldtime-Jazz nicht mehr so recht an und wird beinahe schon in die Nähe bayrischer Blasmusik gerückt. Für sie ist das eine altmodische Musik, die auch meist von älteren weißhaarigen Herren für ebensolches Publikum gespielt wird. Und es stimmt: Selbst mir ist aufgefallen, daß ich nach vielen Jahren meiner Dixie-Begeisterung beim Hören der alten Stücke Ermüdungserscheinungen fühle. Nur wenigen aktuellen Interpreten gelingt es, aus den alten Stücken noch eine Art von jungem Drive und Swing herauszukitzeln.

Von all den Gruppen und Bands, die ich während der drei Tage bei dem Festival gehört habe, ist mir eine junge Band in Erinnerung geblieben, der es gelingt, das alte Muster des Dixie so umzustricken, daß daraus beinahe ein neues schickes Gewand wird. Von dieser jungen internationalen Gruppe aus Berlin, den "Dizzy Birds" gibt es ein paar Aufnahmen auf YouTube. Es lohnt sich, da einmal hineinzuhören.

Dizzy Birds in Dresden



Donnerstag, 18. Mai 2017

Kreuzkirche - verbaute Ansicht

Das Neujahrsläuten für das Jahr 1990 erlebte ich in Dresden. In der Silvesternacht hatten ein Freund und ich unser Wohnmobil auf einem großen freien, leicht mit Schnee bedeckten Platz vor der Kreuzkirche geparkt. Möglicherweise war das nicht erlaubt und wahrscheinlich gab es sogar entsprechende Verbotsschilder, aber irgendwie wurden solche Anordnungen in dieser Zeit des Aufbruchs, kaum zwei Monate nach der Öffnung der Grenzen zwischen beiden Teilen Deutschlands, nicht so recht ernst und wichtig genommen.

Als die Besucher des Gottesdienstes aus der Kirche kamen, konnten sie unser Mobil mit dem westdeutschen Nummernschild kaum übersehen. Zu der Zeit waren es noch nicht sehr viele Reisende aus der Bundesrepublik, die mit einem Wohnmobil im Winter bis nach Dresden kamen, und es dann auch noch im Zentrum der Altstadt vor der Kirche abstellten. So kamen wir mit vielen Leuten schnell ins Gespräch, wurden freudig begrüßt, wünschten uns gegenseitig eine gute Zukunft und teilten mit ihnen unseren Neujahrssekt aus Pappbechern.  Danach zogen wir mit einigen von ihnen weiter in ein nahes Lokal, wo wir bis in den frühen Morgen feierten.

An dieses Erlebnis erinnere ich mich sehr gern. Es bedeutet für mich die persönlichste und direkteste Erfahrung, die ich mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Beginn des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands verbinde.

Als ich jüngst wieder nach Dresden kam, suchte ich nach dem damaligen Parkplatz für das Wohnmobil, fand ihn aber nicht. Wohl fand ich die Kreuzkirche, aber die war von Geschäftsgebäuden umgeben, geradezu zwischen ihnen eingeklemmt. Die Kirche mit dem großen freien Platz davor konnte also nicht die Kreuzkirche gewesen sein, dachte ich. Ich suchte nach einem anderen Platz im Zentrum Dresdens, der meinen Erinnerungen von vor mehr als 27 Jahren entsprach, fand aber nichts dergleichen.

Erst eine "alte Dresdnerin" (in Wahrheit eine junge, aber Eingeborene) klärte mich auf, daß der Platz vor der Kreuzkirche mit dem Altmarkt bis vor nicht allzulanger Zeit ein großer freier Platz war. Der war zum Teil durch die Zerstörungen des Krieges entstanden und erst in den letzten zehn, fünfzehn Jahren wieder bebaut worden.


Im Internet fand ich dann die Bestätigung für beides: ein Foto von etwa 1900 zeigt die Kirche eingezwängt zwischen Geschäftshäusern der damaligen Zeit, und ich fand auch ein Foto von 2008, auf dem die Westfront der Kirche - da, wo wir einst geparkt hatten! - noch nicht von Betonklötzen verstellt ist.

Wenngleich die neue Bebauung um die Kirche in etwa dem früheren Zustand vor den Zerstörungen entspricht, empfinde ich die Mißachtung der historisch wertvollen Architektur der Kirche als barbarisch. Ich finde, man hätte die durch den Krieg geschaffenen Fakten als Chance nutzen können, dem Bauwerk eine angemessen representative Schauseite und den dafür nötigen Platz zu lassen.

Allerdings wäre es dann auch nötig gewesen, die stets impertinenten Wohnmobilfahrer von dem Ort fernzuhalten...

Dienstag, 16. Mai 2017

Als ich kam, waren alle anderen schon da

Nach einem Besuch bei den Denkern des "klassischen Weimar" fuhr ich jüngst auf meiner Reise nach Dresden zufällig bei den Könnern in Sachsen-Anhalt (PLZ 06420) und den Machern in Sachsen (PLZ 04827) vorbei.

Was braucht es mehr für erfolgreiches Arbeiten? Diese Kombination ergibt ein schönes Symbol für das Zusammenwirken von Arbeitern der Stirn und der Faust.

Was man beim Autofahren so denkt...

Donnerstag, 4. Mai 2017

Trotz des Titels wird hier Deutsch gesprochen

Ich konnte mir das kleine Wortspiel mit meinem Namen im Titel dieses Blogs aber nicht verkneifen.

Diejenigen, die mich kennen, haben es ja schon gesehen. Den anderen will ich nur soviel sagen, daß ein winziger Buchstabe allerhand verändert, obwohl sogar die Aussprache beinahe gleich bleibt.

Ich freue mich über die Idee und fühle mich wohl mit diesem Titel, der künftig überhaupt mein Markenzeichen bleiben soll: sich abkühlen, nicht mehr aufregen, relaxen, es ruhig angehen und die Beine baumeln lassen, all das kann ich sehr gut gebrauchen, nach einigen Aufregungen in der jüngeren Vergangenheit. Aber Streß schadet der Gesundheit und nützt sonst überhaupt niemandem. Also:

I keep just chilling, und das soll von jetzt ab mein Motto, Programm und Lebensziel sein.