An einem freundlichen Frühlingstag durch seinen schönen Freistaat zu wandern, das darf einem Thüringer schon beinahe himmlisch erscheinen. Wenn der Tag dann auch noch Himmelfahrt heißt, die Reise in die Natur dem Brauch an diesem Tag entsprechend von einiger alkoholischer Stärkung begleitet ist und dem Wanderer aus jedem Dorf der Duft der fertigen Thüringer Rostbratwurst entgegen weht, dann muß sich jeder Thüringer - und auch jeder Gast in diesem schönen Land - bereits wie im Himmel fühlen. Was gibt es besseres, als nach ausreichender Bewegung eine Rostbratwurst oder ein Brätel zu genießen, dazu ein kühles Bier?
Setzt der Wanderer dann seinen Weg fort, kann es ihm passieren, in einem kleinen Dorf namens Niederroßla, mitten drin, einem Elefanten zu begegnen. Zwar ist der nicht sehr groß, nur aus Stein und auf einen Sockel gestellt, aber was macht ein Elefantendenkmal in Thüringen? Mancheiner könnte da zweifeln, ob er schon zu viel alkoholische Wegzehrung genossen hat, zumal wenn hinter dem einen Elefanten auch noch zwei weitere im Bild erscheinen.
Die Thüringer haben offenbar ihre ganz eigene Art von Humor. Besonders gut ist das in Niederroßla im Weimarer Land dokumentiert. Der kleine Ort wird im Volksmund auch als "Kitzelbach" verspottet.
Der Ursprung für den Spott und das bemerkenswerte Denkmal liegt in einem Ereignis, das sich im Februar 1857 begeben haben soll.
Zu der Zeit gastierte eine Menagerie in Niederroßla, die auch einen Elefanten mitführte und den gegen Geld zur Schau stellte. Zwischen den Vorführungen war der Elefant, eine indische Elefantenkuh namens Miss Baba, im Stall eines Bauernhofes einquartiert. Dort gelangte Miss Baba an einen nicht für sie bestimmten Vorrat an Runkelrüben, von dem sie fraß. Dieser Rüsselraub trug der Elefantendame schwere Koliken ein, die es ihr beinahe unmöglich machten, mitzumarschieren, als ihre Eigentümer zum nächsten Dorf weiterziehen wollten. Kurz vor der Ortsgrenze von Niederroßla, so wird erzählt, brach die Elefantin zusammen. Die Dorfbewohner befürchteten, das große Tier könnte auf ihrer Seite der Dorfgrenze verenden und dem Dorf Kosten für die Beseitigung des Kadavers oder gar noch Schadenersatzansprüche des Besitzers verursachen. Daher versuchten sie mit Stöcken und Stangen, das Tier zu bewegen, wenigstens auf die andere Seite der Dorfgrenze zu gehen. Bei dieser Aktion waren die Mitglieder des Gesangvereins besonders eifrig, denn diese kamen wohl etwas angetrunken von einem Singabend, und außerdem war auch noch Fastnachtszeit.
Aller Bemühungen zum Trotz verendete die Elefantin auf dieser Seite der Grenze. Es gab einen großen Streit, bei dem sich die Männer vom Gesangverein vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen mußten, das Tier wäre wegen der Mißhandlung mit Stangen zu Tode gekommen. Die Sangesbrüder wehrten sich mit der Behauptung, sie hätten das Tier doch nur gekitzelt und keineswegs mißhandelt. So hatte der Ort dann den Namen Kitzelbach weg, die Universität Jena bekam das Skelett des Elefanten, und die Haut diente dem Naturkundemuseum Gotha zur Anfertigung eines ansehnlich großen Präparats.
Im Jahr 1957, hundert Jahre nach dem denkwürdigen Vorfall, wurde dem Tier das Denkmal im Ort gesetzt, und alle 25 Jahre feiern die Kitzelbacher in Niederroßlau ein großes Elefantenfest, das nächste im Jahr 2032.
Noch mehr kuriose und unglaubliche Details dieser Geschichte sind in der deutschen Wikipedia unter dem Stichwort
Miss Baba verzeichnet. Allein die Erwähnung von Stoßzähnen in dem Wikipedia-Artikel lassen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der ganzen Geschichte auftauchen: nach Berichten von Elefantenexperten haben indische Elefantenkühe keine Stoßzähne. Das soll aber kein Argument gegen thüringischen Humor sein, der an der Gestaltung des Artikels wohl maßgeblich beteiligt war.